
Liebe Freunde Osteuropas! Für Freunde ukrainischer Literatur ist der Oktober ein Fest. Da ist richtig viel erschienen. Aber auch aus Polen, der Slowakei, Rumänien, Ungarn ist aktueller Lesestoff dabei und einige deutschsprachige AutorInnen sind ebenfalls vertreten.

Der Wallstein Verlag hat im Oktober mit der Reihe „Ukrainische Bibliothek“ begonnen. Acht Bände bekannter ukrainischer Autorinnen und Autoren sollen es werden, die noch nie oder in mittlerweile veralteten Übersetzungen erschienen sind. Den Start macht der große ukrainische Dichter und Maler Taras Schewtschenko (1814-1861). In dem Werk „Flieg mein Lied, meine wilde Qual: Dichtung und Selbstzeugnisse“, herausgegeben von Juri Andruchowytsch, der meint, für die Ukrainer ist Schewtschenko Luther, Kant und Goethe in einem. Der Band enthält Schewtschenkos wichtigste Gedichte sowie Auszüge aus seinem Journal, das 1857/58 in der Verbannung in entlegenen Garnisonsstädten Zentralasiens entstand. „Das Buch ist ein Muss für alle, die sich für Literaturgeschichte, politische Poesie und kulturelle Identitätsfragen interessieren“, heißt es im Klappentext.

Als Zweites sind Geschichten von Lesja Ukrajinka (1871-1913) erschienen, herausgegeben von Tanja Maljartschuk. In dem Erzählband „Am Meer“ ist ihre Kurzprosa endhalten die „die europäischen Strömungen des Fin de Siècle [widerspiegelt] und … zentrale Diskurse der Zeit auf[greift] wie überkommene Rollenbilder, die Frage nach der Grenze zwischen Vernunft und Wahnsinn, Orientalismus und die Nietzsche-Rezeption. Ihre Sprache moduliert detailgenaue und atmosphärisch dichte Szenen. »Am Meer« richtet sich an alle, die sich für die europäische Moderne, feministische Literatur und postkoloniale Perspektiven interessieren“, heißt es im Klappentext.

Für Fans der Bücher von Andrej Kurkow ist der Oktober auch ein schöner Monat. Einmal ist „Samson und das Galizische Bad“ frisch erschienen. Der mittlerweile dritte Teil seiner historischen Krimireihe. Diesmal geht es in das Kyjiw des Jahres 1919. „Ein Trupp Rotarmisten ist spurlos verschwunden, mitten in der Stadt, während eines Banjabesuchs. Als Samson im Heizofen des Badehauses Knochenreste findet, kommt er einem finsteren Komplott auf die Spur. Auch im dritten Band um den herzensguten Samson und die kluge Nadjeschda lässt der ukrainische Meister absurder Erzählkunst das Kiew der frühen Zwanzigerjahre lebendig werden. Voller politischer Turbulenzen und schräger Charaktere und spielerischer Parallelen zum Heute.“

Und passend dazu sind die ersten beiden Bände „Samson und Nadjeschda“ und „Samson und das gestohlene Herz“ jetzt in der günstigeren Taschenbuchausgabe erschienen. Im ersten Buch ist der junge Samson in den Wirren nach der russischen Revolution gerade zur Vollwaise geworden und gerät eher durch Zufall zur neuen sowjetischen Polizei. Gleich sein erster Fall ist sehr mysteriös und er lernt die patente Nadjeschda kennen, die ihm bei den Ermittlungen hilft und an die er schon bald sein Herz verliert.

Im zweiten Buch ermittelt Samson dann mit seinem Kollegen Cholodnij zu illegalen Fleischverkäufen. Da wird seine Freundin Nadjeschda von streikenden Eisenbahnern gefangen genommen. So muss Samson nicht nur den Fall lösen, sondern auch Nadjeschda retten.

In der Ukraine ist die in Lwiw geborene Dichterin Halyna Kruk bereits eine mit Literaturpreisen überhäufter Star. In Deutsch ist nun ein Gedichtband von ihr mit dem Titel „Crashkurs in Molotowcocktails“ erschienen. „Kruk meldet sich seit 2011 mit Arbeiten zu Wort, die die wachsende Bedrohung des Friedens thematisieren und findet, so die beiden Herausgeberinnen und Übersetzerinnen, „seit 2014 eine lyrische Sprache für den Einbruch von Krieg und Gewalt in das Leben der Menschen“. Die Lyrikerin will mit ihren Texten ZuhörerInnen auch im Ausland eine Vorstellung davon vermitteln, was es heißt, im Krieg zu leben.

Vom ukrainischen Kriegsreporter Mstyslav Chernov ist im Oktober 2022 sein Roman „The Dreamtime“ in englischer Übersetzung erschienen, und jetzt im Oktober 2025 die Taschenbuchausgabe, die komischerweise drei Euro mehr kostet. „The Dreamtime“ ist eine Mischung aus Dokumentation und Militär-Fiktion, inspiriert von den Erfahrungen des Autors, die durch vier miteinander verflochtene Erzählstränge einen schonungslosen Blick auf die Schrecken des Krieges bietet. Parallele Handlungsstränge von einem von Schuldgefühlen geplagten Arzt, der versucht, seine Dämonen zu vertreiben, indem er sich dem Krieg aussetzt; einer jungen Frau, die sich um ihren kranken Vater kümmert, während um sie herum in dem von Russland besetzten Slowjansk Bomben fallen; einem mysteriösen Soziopathen, der ein Katz-und-Maus-Spiel spielt; und einer Forensikerin, die einen Mordfall löst und gleichzeitig versucht, ihre Ehe mit einem entlassenen Soldaten zu retten, vermitteln eine rohe Intensität und eine tief persönliche Verbindung zu den Auswirkungen des Krieges.

Dann haben wir noch ein zweisprachiges (ukrainisch-englisch) illustriertes Kinderbuch. Es ist das fünfte Buch aus der Reise „Our Stories Carried Us Here“. In „Escaping Ukraine, Finding Hope“ geht es um die Geschichte einer Familie, die ihre geliebte Heimat verlässt, um in Amerika neu anzufangen. Mila Mostova, einst Lehrerin und hingebungsvolle Mutter, erlebt nun Nächte voller Luftschutzsirenen und Kriegsexplosionen, statt Tage voller Unterricht und Gartenarbeit. Als die Gefahr immer näher rückt, trifft Mila die herzzerreißende Entscheidung, die Ukraine zu verlassen und ihre Kinder um jeden Preis zu schützen. Mit der Hilfe von Sue, ihrer ehemaligen amerikanischen Gastgeberin, begeben sich Mila und ihre Kinder auf eine gewagte Reise nach Duluth, Minnesota.

Zehn Jahre ist es jetzt her, dass der Schriftsteller Iulian Ciocan aus der Republik Moldau seinen Roman „Iar dimineața vor veni rușii“ (zu Deutsch: „Am Morgen kommen die Russen“) veröffentlichte. Und gerade dieses Werk ist nun sein erstes, das in deutscher Übersetzung erschienen ist. In dem Roman versucht ein junger Akademiker, seinen Roman über eine russische Invasion in die Republik Moldau zu veröffentlichen. Der Roman verknüpft zwei faszinierende Geschichten, wobei das Fantastische durch die real existierende Wirklichkeit vorweggenommen wird. Wie die Prophezeiung einer düsteren und von Unsicherheiten geprägten Zukunft. Der Autor beschreibt mit bissigem Humor die postsowjetische Gesellschaft in der moldauischen Hauptstadt Chișinău und beleuchtet die enormen Spannungen zwischen der rumänisch- und der russischsprachigen Bevölkerung sowie die politischen und sozialen Probleme, die sich seit der Unabhängigkeit der Republik Moldau abzeichnen.

Belarusische Literatur ist im deutschsprachigen Raum extrem unterrepräsentiert. Umso schöner, dass nun „Das Gute siegt“ von Viktor Martinowitsch erschienen ist. Darin geht es um den Sommer 2020 in Minsk. Wir erinnern uns, die gefälschten Wahlen und gigantischen Proteste. Genau in dieses Szenario gerät der Held des Romans Matwej, der gerade im Theater die Proben zu einem Stück über den Inquisitionsprozess gegen Jeanne d’Arc probt. Dann wird seine ehemalige Lehrerin inhaftiert und Matwej muss ihren Kater Heidegger retten. Dabei stolpert er unverschuldet zwischen die Fronten von Protestierenden und Staatsmacht. Unterwegs begegnet er der menschgewordenen Revolution in Form der Punk-Poetin Lady Di. Ihr Mittel des Widerstands? Worte. Das Werk wird beworben als bewegender Roman über die Kraft der Sprache und den Versuch, im Angesicht der Unterdrückung Mensch zu bleiben.

Der Schauspieler und Regisseur Daniel Donskoy wurde 1990 in Moskau geboren und stammt aus einer ukrainisch-russisch jüdischen Familie. Kurz nach seiner Geburt zogen seine Eltern mit ihm nach Deutschland. Nun hat er sein Debütroman „Brennen“ vorgelegt. Da ich echt nicht weiß, wie ich den Klappentext gut zusammenfassen soll, hier unkommentiert von mir, der Klappentext: Zwölf Jahre, nachdem das Schicksal die beiden auseinandergerissen hat, drängt es den Erzähler, seinem Freund Tyler zu schreiben: von dem Leben, das inzwischen vergangen ist. Von Dreharbeiten im russischen Schnee, kurz vor dem Krieg, von einer sizilianischen Jagdgesellschaft und einem furchtlosen Dackel, einem in Flammen stehenden Filmstudio in der Nähe von Auschwitz, vom existenziellen Kampf gegen eine wuchtige Britin – eine Geschichte von Übermut, von der Verzweiflung und der brennenden Leidenschaft.

In „Danja, mein dementes Jahrhundert“ von Sasha Marianna Salzmann liegt ein Großvater im Sterben, während seine Enkelin an seinem Bett sitzt – sie versteht sein Ukrainisch nicht, denn in der Familie wurde immer nur Russisch gesprochen. In seinem Delirium durchlebt der Großvater Erinnerungen an Krieg, Verfolgung und Flucht, die sich mit der Gegenwart überlagern. Der Text verbindet persönliche Familiengeschichte mit der politischen Geschichte Osteuropas und reflektiert über Sprache, Erinnerung, Identität und das Vergessen. Ergänzt wird das Buch durch zwei Reden Salzmanns und dokumentarisches Material.

In „Halbe Portion“ erzählt Elisabeth Pape die Geschichte einer jungen Frau, die mit den Schatten ihrer Kindheit ringt. Aufgewachsen in Armut, mit einer zwanghaft dünnen Mutter, die aus der Ukraine nach Berlin migriert ist, versucht sie als Erwachsene, Kontrolle über ihr Leben und ihren Körper zu gewinnen. Zwischen Kalorienzählen, Essanfällen und Scham tastet sie sich vorsichtig an ein normales Leben heran – und an die Hoffnung auf Nähe. Der Roman zeichnet ein eindringliches Porträt einer Generation, die zwischen Herkunft und Selbstbehauptung steht. Pape schreibt schonungslos, aber mit feinem Humor über Essstörungen, familiäre Zwänge und die Frage, wie Migration, Armut und Körperwahrnehmung miteinander verwoben sind.

In „Waldohreule“ versammelt der ungarische Schriftsteller Ádám Bodor eine Auswahl seiner besten Erzählungen aus fünf Jahrzehnten. Seine Figuren – Reisende, Verbannte, Neuanfänger – bewegen sich durch neblige Wälder, verlassene Dörfer und melancholische Grenzlandschaften, die an Osteuropa erinnern und doch überall sein könnten. Mit karger, präziser Sprache leuchtet Bodor die stillen Regungen des Menschlichen aus: Liebe, Einsamkeit, Grausamkeit, Hoffnung.

Der Roman „Die Stunde des Pelikans“ von Walter Heinrich ist erstmals 2009 erschienen und seit Oktober 2025 als Taschenbuchausgabe zu haben. In dem Werk erzählt Heinrich die bewegende Lebensgeschichte des polnischen Franziskanermönchs Maximilian Kolbe. 1941 im Konzentrationslager Auschwitz meldet sich Kolbe freiwillig, um anstelle eines anderen Häftlings im sogenannten „Hungerbunker“ zu sterben. Seine selbstlose Tat machte ihn später zum „Märtyrer von Auschwitz“ und führte 1982 zu seiner Heiligsprechung durch Papst Johannes Paul II. Der Band zeichnet nicht nur das dramatische historische Geschehen nach, sondern vermittelt auch die persönlichen Motive und den tiefen Glauben Kolbes, der ihn zu diesem einzigartigen Akt der Menschlichkeit und Nächstenliebe bewegte.

Ilma Rakusa, 1946 in der heutigen Slowakei geboren und mit osteuropäischen Wurzeln aufgewachsen, reflektiert in „Wo bleibt das Licht“ über mehr als zweieinhalb Jahre ihr Inneres im Spiegel der globalen und persönlichen Krisen. In Tagebuchprosa, Gedichten, Monologen und Dialogen dokumentiert sie die dunklen Nachrichten unserer Zeit, hadert und zweifelt, prangert Ungerechtigkeit und Despotismus an und schreibt zugleich über Liebe, Freundschaft, Kunst und Literatur.

Nach ihrem Debütroman „Nachtbeeren“ (2022), in dem es um die Russlanddeutsche Nelli ging, die versucht nach dem Umzug nach Deutschland in der deutschen Provinz anzukommen, ist nun Elina Penners nächster Roman erschienen. In Die Unbußfertigen entwirft sie einen packenden Thriller über die Schattenseiten der digitalen Welt. Zehn Menschen, geformt vom Internet, folgen einer mysteriösen Einladung in ein abgelegenes Herrenhaus. Unter ihnen sind Influencer:innen, deren Leben von Followerzahlen, Likes und Markenbildung bestimmt wird, sowie Zuschauer:innen aus den Kommentarbereichen. Was als Event beginnt, wird schnell zur bedrohlichen Realität: Teilnehmer:innen verschwinden, und ein unsichtbares Auge beobachtet alles.

Aus Polen ist diesmal auch was dabei. Einmal „Lachen kann, wer Zähne hat“ von Zyta Rudzka. In dem 2022 in Polen erstmals erschienen Roman geht es um die Herrenfriseurin Wera. Ihr Mann ist gestorben und sie muss Schuhe für den Sarg auftreiben. Sie macht sich auf den Weg zu alten Kunden und Bekannten, zu Weggefährten und verflossenen Liebschaften. Sie durchstreift die ganze Halbwelt der Stadt – und damit ihr vergangenes Leben. So wie sie sich all die Jahre durchgeschlagen hat, kommt sie auch jetzt an ihr Ziel: mit Friseurinnenschläue und einem losen Mundwerk. Wir begegnen einer Frau, die alles gesehen hat. Und unter deren Schlagfertigkeit sich die Trauer versteckt.

Der Roman „Aga“ der in Polen, Israel und Deutschland aufgewachsenen Autorin Agnieszka Lessmann ist autobiografisch angehaucht. In dem Buch zieht die Hauptfigur Aga nach einer Zwischenstation in Israel mit ihren Eltern in das „Land der Mörder“, nach Deutschland. Über die Shoa wird in der Familie nicht gesprochen, so wird das Schweigen darüber auch für die Nachkommen zu Last. Dazwischen wuchern die kindlichen Fantasien. Das Verschwiegene bricht sich schließlich Bahn in einem tatsächlichen Mord. Schritt für Schritt beginnt Aga die leeren Stellen in den Erinnerungen zu füllen. Ein Roman über das Schweigen nach der Shoah, und eine Geschichte darüber, was nötig ist, um es zu überwinden. Und auch eine Liebesgeschichte.

Der polnische Autor Zygmunt Miłoszewski hat zwischen 2007 und 2014 eine Krimi-Trilogie – die Teodor-Szacki-Reihe – veröffentlicht. In deutscher Sprache sind die drei Bände auch schon alle erschienen. Jetzt bringt sie der noch sehr junge Polente Verlag nochmals in einer Neuauflage heraus. Der Polente Verlag hat sich auf polnische Literatur spezialisiert. Los geht es mit dem ersten Teil „Warschauer Verstrickungen“. 2005 wird ein Teilnehmer einer Gruppentherapie in der polnischen Hauptstadt ermordet und Staatsanwalt Teodor Szacki muss ermitteln. Er gerät dabei immer tiefer in ein Geflecht aus familiären Abgründen und verdrängter Geschichte. Je tiefer er gräbt, desto klarer wird: Manche Wunden sind nicht vernarbt – sie sind nur besser verborgen.

In „Schweinebaumeln“ erkundet die polnische Autorin Marta Dzido in neun Erzählungen die vielen Facetten von Liebe, Begehren und Selbstfindung. Mit sinnlicher Sprache und feinem Gespür für Zwischentöne erzählt sie von Frauen und Männern, die mit gesellschaftlichen Erwartungen, Körperlichkeit und Nähe ringen. Zugleich vermittelt das Buch ein eindrucksvolles Bild davon, wie es war, im Polen der 1990er Jahre erwachsen zu werden – in einer Zeit des Umbruchs, in der alte Sicherheiten verschwanden und neue Freiheiten lockten. Dzido, die selbst in dieser Zeit aufwuchs, verbindet in „Schweinebaumeln“ intime Momentaufnahmen mit einem subtilen Porträt einer Generation zwischen Tradition und Aufbruch.

In „Standoff (Kidnapped from Ukraine, 2)“ erzählt die ukrainisch-kanadische Autorin Marsha Forchuk Skrypuch die Geschichte der zwölfjährigen Zwillingsschwestern Rada und Dariia Popkova, die im Februar 2022 mitten in den russischen Angriff auf Mariupol geraten. Während der Stadtangriffe wird die Familie getrennt: Rada bleibt bei ihrem Vater, Dariia bei der Mutter. Rada kämpft sich mit ihrem Vater von einem Schutzort zum nächsten, bis zum Azovstal-Werk, wo ihr Vater in der Widerstandsbewegung aktiv ist. Gleichzeitig versucht sie verzweifelt, Kontakt zu ihrer Schwester und Mutter zu halten. Die Geschichte zeigt die Herausforderungen des Kriegsalltags, aber auch die Liebe der Schwestern zueinander und zu ihrer Heimat Ukraine.

David Szalays Roman Was nicht gesagt werden kann erzählt die Geschichte von István, einem jungen Ungarn, der zwischen Kindheit und Erwachsensein seinen Platz in der Welt sucht. István, fünfzehn, lebt mit seiner Mutter in einem Plattenbau am Rande einer ungarischen Stadt. Schüchtern und unsicher im Umgang mit Gleichaltrigen, gerät sein Leben aus den Fugen, als eine überraschende Bekanntschaft zu einer verwirrenden Beziehung führt – und ein tragischer Unfall passiert. Die Jahre danach bringen István von Ungarn nach London, wo er sich von Job zu Job hangelt, immer wieder geleitet von den Absichten anderer. Dabei bleibt er oft ein stiller Beobachter seines eigenen Lebens, das zwischen Aufstieg und Fall, Nähe und Distanz schwankt.

Die Autorin Sibylle Reuter wurde im bulgarischen Sofia geboren und lebt seit ihrem 20. Lebensjahr in Österreich. In ihrem Debütroman „Zerbrichmeinnicht“ geht es um ihre Kindheit in Bulgarien der Achtzigerjahre, die geprägt war von der Verachtung der Mutter gegenüber ihrem Land. Sie setzt alles daran, ihrer Tochter ein anderes Leben zu ermöglichen. Der Vater bleibt ein Schatten. Gelingt ihr der Aufbruch in ein anderes Land, ins Erwachsensein, in ein neues Selbstbild? Es ist ein Roman über Herkunft, Scham und die Frage, wie man wird, wer man ist und wie viel Mut es braucht, den eigenen Weg zu gehen.

Ebenfalls ihren Debütroman vorgelegt hat Ekaterina Feuereisen. In „Inventur der Erinnerungen“ gewährt die Autorin einen intensiven Einblick in die Gedankenwelt ihrer Protagonistin. Nach einer schwierigen Kindheit mit einer drogenabhängigen Mutter und einem Umzug nach Deutschland hat sie mit ihrer Partnerin Elif ein stabiles Leben aufgebaut – doch die Geister der Vergangenheit holen sie immer wieder ein. Durch Flashbacks und Erinnerungen an traumatische Erlebnisse wird der Alltag zerrissen, scheinbare Banalitäten lösen Wut, Verzweiflung und Einsamkeit aus. Feuereisen beschreibt eindringlich, wie psychische Erkrankung, Erinnerungen und zwischenmenschliche Beziehungen miteinander verwoben sind, und schafft so ein schmerzhaft ehrliches Porträt eines Lebens, das versucht, trotz dunkler Schatten in bunten Farben zu bestehen.

Die wahre Geschichte von Oleg Gordijewski, dem KGB-Offizier, der zum meistgesuchten Doppelagenten der Welt wurde, gibt es jetzt auch als günstige Taschenbuchausgabe. In „Der Spion und der Verräter“ erzählt Ben Macintyre, wie Gordijewski als Sohn zweier KGB-Agenten seine Karriere in Berlin begann, den Bau der Mauer miterlebte und nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag 1968 dem britischen MI6 als Doppelagent diente. Über Jahre lieferte er entscheidende Informationen, während seine Identität streng geheim blieb. Macintyre zeichnet ein spannendes Porträt von Kaltem Krieg, Verrat und geheimdienstlicher Intrige, in dem Loyalität, Mut und Täuschung auf dramatische Weise aufeinandertreffen.

„Die Aussiedlung“ von András Visky erzählt die bewegende Geschichte seiner Familie in der ostrumänischen Steppe während der kommunistischen Ära. Nachdem der Vater, ein Pastor, zu 22 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wird, zieht die Mutter Julia vier Jahre lang mit ihren sieben Kindern durch Erdhöhlen und verlassene Dörfer, stets überwacht von den Behörden. Trotz der Härten bewahren die Familie ihre Würde, Menschlichkeit und den Glauben aneinander, wobei András in 822 kurzen Kapiteln von Liebe, Widerstand und dem Überleben unter repressiven Bedingungen berichtet. Der Roman verbindet sprachliche Schönheit mit emotionaler Tiefe und zeigt, wie Phantasie und Zusammenhalt gegen Gewalt und Unterdrückung bestehen können.

Die Autorin Sigrid Katharina Eismann ist in Rumänien geboren und emigrierte 1981 mit ihrer Familie nach Westdeutschland. In „Mein innerer Schwarzwald“ erzählt sie das Schicksal von 27 Hotzenfamilien im Jahr 1755. Die Freibauern aus dem Südschwarzwald lehnten sich gegen Unterdrückung durch Kirche und Krone auf, angeführt vom Salpeterer-Hans, dessen Bewegung zum Symbol für Widerstand gegen Machtmissbrauch wurde.

Tja, du musst nur in Osteuropa geboren worden sein, schon kommst du in mein Monats-Update. Naja, nicht immer. Aber das neue Buch von Saša Stanišić erwähne ich mal, auch wenn ein wirklicher Osteuropabezug erstmal nicht erkenntbar ist. In „Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird: Eine Ermutigung“ will der Autor de Härten und dem Leid der Menschen etwas entgegensetzen.
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