
Liebe Freunde Osteuropas! Der Oktober neigt sich dem Ende, und was war da alles auf dem #Osteuropa-Büchermarkt los. Ein Kracher jagt den nächsten. Hier fasse ich für euch die Neuerscheinungen zusammen.

Die mit Abstand wichtigste Neuerscheinung im Oktober ist ganz klar „Das Versagen“ von Katja Gloger und Georg Mascolo. Die beiden Journalisten zeigen in ihrem Buch auf, wie die deutsche Politik in Bezug auf Russland und seinem Krieg gegen die Ukraine so unfassbar versagen konnte. Denn Warnungen gab es zuhauf. Dazu haben Gloger und Mascolo zahlreiche Geheimdokumente gesichtet und Gespräche mit Dutzenden Zeitzeugen geführt. Bei fast 500 Seiten kann man sich auf eine tiefgründige Recherche freuen.

Ein ebenso wichtiges Buch hat der Journalist Artur Weigandt veröffentlicht. In „Für euch würde ich kämpfen“ geht es vor allem um Weigandts Leben und seine Gedanken über Russlands Krieg und die Debatten dazu in Deutschland. Er schreibt über das Mobbing in seiner Kindheit, wie er im Studium dann unbedingt Anschluss suchte, und mit Leuten befreundet war, die selbst 2014 nach der Krym-Annexion die Schuld bei der Nato und dem Westen gesehen haben, wie er sich ab 2022 entschließt als Sprachmittler zu arbeiten und dann auch selbst in der Ukraine unweit der Front gewesen ist. Und wie er durch all dieser Erfahrungen dazu gekommen ist, kein Pazifist mehr sein zu können.
Eine ausführliche Rezension von mir findet ihr hier: LINK

Die Südosteuropahistorikerin Marie-Janine Calic hat nach dem kleinen Beck‘schen Büchlein „Geschichte des Balkans“ 2023 wieder ein größeres Werk vorgelegt. In „Balkan-Odyssee, 1933-1941: Auf der Flucht vor Hitler durch Südosteuropa“ geht es um eine fast vergessene Route. Denn nicht alle Schriftsteller und Künstler, die vor dem Hitlerregime flohen, nahmen die Route in den Westen über Frankreich. Ihr Calics Buch geht es um Personen, wie den Theaterstar Tilla Durieux, die Schriftsteller Manès Sperber und Ernst Toller, den Dramatiker Franz Theodor Csokor und den Maler Richard Ziegler. Mindestens 55.000 Menschen flohen nach Jugoslawien. War es nach 1933 noch recht leicht zu fliehen, wurde das mit dem „Anschluss“ Österreichs und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs immer schwieriger. Bis bei Hitlers Angriff auf die Balkanländer diese Menschen in der Falle saßen.

Wie sich Russland seit der Vollinvasion verändert hat, darüber hat der in Moskau geborene und heute in der Schweiz lebende Journalist Alexander Estis einen 156-seitigen Essayband geschrieben. In „Schergenstaat Russland: Ideologie, Propaganda, Repression und Widerstand“ wirft er einen genaueren Blick auf das, was in Russland passiert.

Viele wünschen sich nichts sehnlicher, dass Putin vor Gericht landet und dann auf ewig im Gefängnis versauert. Doch wie realistisch ist das? Der erfahrene Journalist Steve Crawshaw hat unter anderem damit in seinem Buch „Vor Gericht: Kriegsverbrechen und die Geschichte der internationalen Justiz“ beschäftigt. Darin geht es um den „Beschluss der ersten Genfer Konvention über die Nürnberger Prozesse bis zu den aktuellen Anklagen des Internationalen Strafgerichtshofs gegen zwei der mächtigsten Staatsoberhäupter der Welt“. Mit scharfem Blick und erzählerischer Kraft zeige Steve Crawshaw, wie fragil Gerechtigkeit sein kann und warum es heutzutage wichtiger denn je ist, für sie einzutreten, so der Klappentext.

Und weil es thematisch sehr ähnlich ist, noch das Buch „Ohnmacht des Völkerrechts“ von Christoph Safferling. Der Völkerrechtler „zeichnet den Weg von 1945 bis heute nach und benennt doppelte Standards und blinde Flecken gerade auch der deutschen Politik“.

Von 2014 bis 2024 war Jens Stoltenberg Generalsekretär der Nato. Über diese Zeit hat er jetzt das Buch „Auf meinem Posten: In Kriegszeiten an der Spitze der Nato“ publiziert. Darin führt er uns hinter die Kulissen der Weltpolitik in Kriegszeiten. Stoltenberg erzählt von den dramatischen Ereignissen seiner Amtszeit und von seinen Begegnungen mit Staatslenkern wie Angela Merkel, Donald Trump, Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj. Und er will mit seinem Buch zeigen, warum die Nato auch in Zukunft eine entscheidende Rolle dabei spielen wird, einen großen Krieg zu verhindern.

Christlich wird es in „Serving God Under Siege“ von Valentin Syniy. Der Präsident des Tavriski Christian Institute, eine evangelische Hochschule bei Cherson, erlebte die Vollinvasion hautnah. In seinem Augenzeugenbericht schreibt er von der Flucht, wie sich seine Glaubensbrüder (Studenten, Lehrer und Mitarbeiter) in einer neuen Stadt zurechtfinden mussten und sich dort engagierten.

Irina Scherbakowa, Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, hat im März 2022 Russland verlassen und ist seitdem nicht mehr zurückgekehrt. In ihrem neuen Buch „Der Schlüssel würde noch passen: Moskauer Erinnerungen“ schreibt sie sehr persönlich über die 1990er Jahre in Russland, über die politische Aufbruchsstimmung. Wie die Menschen plötzlich ungewohnte Freiheiten hatten und damit mehr schlecht als recht umzugehen lernten. Und wie Russland scheinbar unaufhaltsam in eine Diktatur abrutschte.

Als Julia Ioffe als Siebenjährige mit ihren Eltern 1990 aus der Sowjetunion in die USA floh, hatte sie für sich das Bild von sowjetischen Frauen als Ärzte, Ingenieurinnen und Wissenschaftlerinnen bewahrt. 20 Jahre später kehrt sie nach Russland zurück und trifft Frauen, die reich heiraten und Hausfrau werden wollen. In ihrem Buch „Motherland“ geht es ausschließlich um Frauen. Von ihren eigenen Urgroßmüttern, die Ärztinnen waren, bis zu Lenins Geliebter, den Mitgliedern von Pussy Riot und Julia Nawalnaja. „Teils Memoiren, teils journalistische Erkundung, teils Geschichtsbuch – Motherland zeichnet ein Porträt des modernen Russlands anhand der Frauen, die es geprägt haben“, so der Klappentext.

Der Reisejournalist Fredy Gareis – 2015 erschien etwa sein Buch „100 Gramm Wodka: Auf Spurensuche in Russland“ – ist wieder gen Osten gereist, wenn auch nicht ganz so weit. Diesmal ist er per Zug und Anhalter gereist: von Norwegen über Finnland, das Baltikum, Polen, die Slowakei, Ungarn und den Balkan bis in die Türkei. In seinem neuen Buch „Als ich gegen Stalin im Armdrücken gewann“ schreibt er über Exilkünstler und Dichterinnen, Journalisten, Aktivistinnen sowie Menschen, die einst um ihre Freiheit kämpften und dem übermächtigen Nachbarn Russland erneut die Stirn bieten müssen.

Auch eine Reise gen Osten tritt Caro Matzko an. Ihr Vater musste damals als Zehnjähriger Ostpreußen verlassen. 80 Jahre später geht die Tochter den Weg der Fluchtroute zurück, auf der Suche nach Antworten. Mit dem Schreiben ihres Buches „Alte Wut: Warum ich an den Ort reiste, von dem mein Vater einst fliehen musste“ will sie verstehen, warum sich die seelischen Verletzungen ihres Vaters in ihrem eigenen Leben fortpflanzen konnten. „Wo liegt der Ursprung ihrer durchlebten Magersucht, ihrer Kämpfe gegen Depression und Burn-out? Wie vererben sich Traumata von einer Generation auf die nächste? Mit schonungsloser Ehrlichkeit und unerschrockenem Humor erzählt die bekannte Journalistin und Moderatorin von einer schmerzhaften Reise, die ihr alles abverlangt“, heißt es im Klappentext.

Dass Russland nicht der super starke Staat ist, wie ihn manche im Westen gerne zeichnen, wissen wir alle. Wer sich da mal richtig aktuell in diese Thematik einlesen will, für den ist vielleicht etwas „Fake Russia: Investigations into Moscow’s Imitations of Greatness and Power“. Auf der Grundlage internationaler und russischer Quellen, Expertenanalysen und empirischer Daten wird in diesem Aufsatzband die tatsächliche Lage der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Russland untersucht. Es werden die Natur des politischen Regimes, die Rhetorik der russischen Staatspropaganda beleuchtet und die Autoren befassen sich eingehend mit bestehenden und potenziellen soziopolitischen Spaltungen. Außerdem geht es um die ethnisch-nationalen Dynamiken innerhalb der Pseudoföderation, Russlands „Ansprüche“ auf die Ukraine und das Konzept der „Weltordnung Z“. Klingt nach spannendem Stoff für anspruchsvolle Leser.

Und gleich zwei Bände mit je 500 Seiten sind über Russland, die die Zeit vor der Großinvasion in den Fokus nimmt erschienen. Der erste Band befasst sich mit einigen kritischen Merkmalen der späten sowjetischen und postsowjetischen Eliten, Institutionen und Gesellschaft Russlands. Der zweite Band befasst sich mit kritischen Merkmalen der späten und postsowjetischen Erinnerungen, Ideologien und Politik Russlands. Beide Sammelbände wollen einige der Faktoren veranschaulichen, die zu dieser tragischen Eskalation geführt haben. Sie enthalten ausgewählte Beiträge, die hauptsächlich in den in Deutschland erscheinenden Zeitschriften „Journal of Soviet and Post-Soviet Politics and Society” und „Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte” veröffentlicht wurden.

Der frische Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, der Historiker Karl Schlögel, hat ein „leidenschaftliches Plädoyer für eine freie, demokratische Welt“ herausgebracht. In „Auf der Sandbank der Zeit: Der Historiker als Chronist der Gegenwart“ geht es um die Beobachtungen des Historikers. In dem Buch „berichtete er aus den Zentren und Provinzen Osteuropas“, als „ein engagierter Kämpfer für eine liberale und demokratische Welt, erst recht nach der russischen Annexion der Krim 2014“.

Wer sich mal mit dem russischen Krieg genauer im sozialen und historischen Kontext beschäftigen will, genau dazu ist ebenfalls im ibidem-Verlag das Buch „The Russian War Against Ukraine“ erschienen. Es ist eine Sammlung von Essays in denen es um Themen wie die humanitären Auswirkungen benachbarter Allianzen, erbitterte Kämpfe im Informationsbereich, tiefgreifende Veränderungen im sozialen Gefüge und komplexe Dimensionen der Identitätswandlung geht. Die Essays „untersuchen sowohl die großen institutionellen Kräfte als auch den intimen Puls des Gemeinschaftslebens und bieten einen doppelten Blickwinkel auf die weitreichenden Auswirkungen des Konflikts“, heißt es im Klappentext.

Der Journalist Ivo Mijnssen und der Fotograf Dominic Nahr sind seit 2022 immer wieder in der Ukraine gewesen, um darüber zu berichten. Daraus ist jetzt das Buch „Das wilde Feld: Front und Hinterland in der Ukraine“ entstanden. „Sie treffen auf eine Gesellschaft, die Widerstand wie im Fieber leistet. Bis zur Erschöpfung. Die Bilder und Texte zeigen ein Land, das sich nicht brechen lässt. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sehnen sich nach Frieden; haben genug getrauert und gelitten. Doch sie wissen, wie verwundbar ihre Heimat in der Steppe ist. Sie verteidigen zwischen dem Donbass und den Karpaten ihr freies Land. Hier, im wilden Feld, entscheidet sich nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das von Europa“, heißt es im Klappentext.

Und noch ein Journalist und Fotograf ist in der Ukraine unterwegs gewesen. J. Lester Feder ging es dabei um queere Menschen in der Ukraine. In „The Queer Face of War“ kommen Stimmen aus der queeren Community zu Wort, die sich der Verteidigung ihres Landes angeschlossen haben und weiterhin für ihre gesellschaftlichen Rechte kämpfen.

Der Autor Rainer Schmitz-Rudolph reist gerne und viel. In seinem Buch „Haparanda-Express: Zug für Zug um die Ostsee“ beschreibt er seine Reise um das Binnenmeer, das sich insgesamt neun Länder teilen. In dem Buch geht es um Erlebnisse und Berichte über Eisenbahnen, Literatur und Architektur. Der Autor beschreibt Skilaufen im Sommer in Kopenhagen, sitzt im Speisesaal des Savoy-Hotels von Malmö, fährt durch die längste Kunstgalerie der Welt mit der Tunnelbana in Stockholm, besucht u.a. Helsinki, Vilnius, Warschau und Danzig.

Nicht nur Marie-Janine Calic hat sich mit Deutschen beschäftigt, die vor dem Hitlerregime ins Ausland geflohen sind. Auch der Journalist Peter Lange hat sich damit beschäftigt. In seinem Buch „Vertraute Fremde: Exil in Prag 1933-1939“ zeichnet er die Fluchtgeschichten von 40 Personen, darunter Alfred Kerr, Bertolt Brecht, Arnold Zweig, Walter Ulbricht, Tilla Durieux, Ana Maria Jokl und Gertrud Rothgiesser, nach. Wie lebten sie in Prager Exil? Welche neuen Verbindungen entstanden dort? Und wohin mussten sie weiter nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei?

Bücher, die den russischen Krieg gegen die Ukraine erklären, gibt es schon zuhauf. Braucht es da noch ein weiteres? Aber immer doch. Die Graphic Novel „Eine kurze Geschichte eines langen Krieges: Russland gegen die Ukraine“ ist in der Hinsicht etwas besonders, dass sie ausschließlich von Ukrainer*innen geschrieben und illustriert wurde. Sie schildern ihre persönlichen Erfahrungen und wie sie den aktuellen Krieg erleben. Die Autor*innen des Buches sagen selbst: „Wie Sie sich vorstellen können, haben wir es ziemlich satt, dass über uns geschrieben wird, und brennen darauf, unsere eigene Stimme zu erheben.“

Zwar auf Englisch, ich nehme es aber trotzdem mit rein. Ein ukrainisches Kochbuch ist erschienen. In „Cuisines of Odesa“ beschreibt die Reiseschriftstellerin Maria Kalenska alles, was die Hafenstadt so zu bieten hat. Es geht von Street Food bis hin zu eleganter Küche, mit Rezepten für Vorspeisen, Hauptgerichte, Desserts und mehr. Etwa Kefir-Mini-Pfannkuchen, süßer Eierbrot-Toast und Rosenblütenkonfitüre. Das Buch enthält mehr als 100 Rezepte und soll auch für Einsteiger geeignet sein.

Der Autor Wieland Giebel hat sich genauer mit dem Beginn des russischen Invasionskrieges in die Ukraine beschäftigt. Genauer mit der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw. Es geht um die ersten 38 Tage, in denen die Ukrainer erfolgreich ihre Stadt verteidigten. Wielands Essay ist eine Analyse des Generalstabs der Ukraine, die vom Zentralen Forschungsinstitut der Streitkräfte der Ukraine erstellt wurde. Sogar mit einem Vorwort von Hanna Maljar, der damals stellvertretenden Verteidigungsministerin, die selbst mehr als ein halbes Jahr mit dem Generalstab im Bunker verbracht hat.

Michael McFaul ist ehemaliger Botschafter in Russland und Analyst für internationale Angelegenheiten bei NBC News. In seinem Buch „Autocrats vs. Democrats“ geht es daher eher um die US-amerikanische Perspektive, obwohl McFauls Einstellungen für uns Europäer sehr interessant sind. In einer Welt, in der Chinas Xi, Russlands Putin und Amerikas Trump zunehmend den Ton angeben, spricht sich der Autor gegen einen Rückzug Amerikas aus der Welt aus und erläutert detailliert, warum: erstens: Russlands disruptive Ambitionen sollten nicht unterschätzt werden, zweitens: Chinas Fähigkeiten sollten nicht überschätzt werden. Trumps Hinwendung zu Isolationismus und Autokratie werde Amerikas Stellung in der Welt schwächen. McFauls Buch soll ein Weckruf für die amerikanische Diplomatie als auch eine eindringliche Zurückweisung der Politik der Trump-Regierung sein und „bietet eine differenzierte Einschätzung der Bedrohungen durch China und Russland sowie eine kühne Vision für die Erneuerung der Führungsrolle Amerikas auf der Weltbühne“ heißt es im Klappentext.

Und die große Bibliothek zur Literatur über Stalin ist um ein Buch reicher. In „Joseph Stalin and the Art of Tyranny: One of History’s Most Feared Dictators“ will Professor William Nester uns erklären, wie Tyrannen ihre Macht durch eine Mischung aus Komfort, Terror, Liebe und Angst aufrechterhalten und ihre Untertanen oft von ihrer göttlichen Bestimmung überzeugen. Der Autor will uns wichtige Einblicke in den Autoritarismus geben und die anhaltende Anziehungskraft und verheerenden Auswirkungen totalitärer Herrschaft offenbaren.

Auch, wenn in der Ukraine weiterhin der russische Krieg tobt, ist er für viele Deutsche weit weg. Doch, was wenn er wirklich zu uns kommt? Mit diesem Szenario haben sich die beiden Journalisten Hauke Friederichs und Rüdiger Barth in ihrem neuen Buch „Wenn morgen bei uns Krieg wäre“ beschäftigt. Die Autoren haben dafür mit zahlreichen Experten gesprochen. Wenn der russische Krieg zu uns kommen würde, wären wir Dreh- und Angelpunkt für die Nato-Truppen und somit ein besonders wichtiges Ziel für Russland. „Wie wären wir in einem solchen Fall geschützt? Wie würde sich unser Leben verändern? Was könnten wir tun, um zu helfen?“ Diese Fragen wollen die Autoren beantworten.

Ebenfalls den Fokus auf eine bestimmte Schlacht zu Beginn des großen russischen Krieges gegen die Ukraine legt das Buch „War in Ukraine: The Battle of Chernihiv, February-march 2022“ von Mykhailo Zhyrokhov. Der ukrainische Historiker aus Donezk hat mit Hunderten von ukrainischen Teilnehmern der Schlacht gesprochen und hat damit den Verlauf der Ereignisse detailliert rekonstruiert.

In Anbetracht der Autokraten auf diesem Planeten wird Europa als eher schwach angesehen. Dem würde der Militärexperte Gerald Karner wohl widersprechen. In seinem Buch „Der unterschätzte Kontinent: Warum Europa die Zukunft gehört“ will er uns vom Gegenteil überzeugen. Seiner Meinung nach hat Europa die besten Voraussetzungen, um eine globale Supermacht zu werden. Karner erklärt, was die europäische Politik jetzt tun muss, um die Zukunft mitzubestimmen.

Die Autoren Gerald Knaus und Francesca Knaus haben sich ebenfalls mit unserem Kontinent beschäftigt. Der Titel ihres Buches „Welches Europa brauchen wir?: Ein politisches Wunder und wie wir es vor seinen Feinden schützen“ klingt etwas pessimistischer als das von Karner. Die beiden wollen zeigen, „wo wir Inspiration in der Geschichte finden und wie daraus Politik werden kann, die Mehrheiten überzeugt – für ein Europa ohne Kriege, politische Gefangene und Folter“. Das Buch soll ein Plädoyer für eine realistische Europa-Politik sein.

Und gefühlt noch eine Spur pessimistischer wird es in „Die Sicherheitslüge: Wie Europa sich mit Waffen schützen will – aber mit Öl & Gas erpressbar macht“ von Historikerin Susanne Götz und der Journalistin Annika Joeres. Die beiden beobachten seit 25 Jahren die deutsche und europäische Politik. Mit ihren Recherchen wollen sie über Klima, Umwelt und Energie informieren – stets nüchtern. Ihre Streitschrift soll ein Weckruf sein: Europa müsse entschlossen auf erneuerbare Energien und Unabhängigkeit setzen. „Nur so können wir den Teufelskreis fossiler Aufrüstung für fossile Konflikte durchbrechen“, heißt es im Klappentext.

Und noch ein Buch, dass eher wenig mit Osteuropa im engeren Sinne zu tun hat. Aber die Bundeswehr spielt ja in der Debatte um Verteidigungsfähigkeit eine Schlüsselrolle. Da hat Bundeswehrsoldat Joshua Krebs – auch bekannt als CinematicSergeant – das Buch „Inside Bundeswehr“ geschrieben. Darin schildert er die Herausforderungen, mit denen Soldaten in der aktuellen Zeit konfrontiert sind. Er gewährt unverstellte Einblicke in Zustand und Innenleben der Truppe und formuliert einen dringenden Appell an Gesellschaft und Politik, was es jetzt benötigt, um Deutschlands Verteidigung zu stärken.

Und nochmal Bundeswehr: Der Journalist Hauke Friederichs hat wohl gerade einen Lauf. Neben seinem Buch mit Rüdiger Barth hat er noch eins als Einzelautor veröffentlicht. In „Die Bundeswehr – Spielball der Politik: Von der Wiederbewaffnung bis zur Kriegsgefahr“ will der Autor deutlich machen, was es jetzt braucht, damit dieses Land verteidigungsfähig wird und einen substanziellen Beitrag zur Sicherheit Europas leisten kann.

Psychologisch wird es in „Warhead: How the Brain Shapes War and War Shapes the Brain“. Der Neurowissenschaftler Nicolas Wright erstellt Rahmenkonzept, das helfen soll, die zunehmenden Spannungen der heutigen Zeit zu erklären und Wege zu ihrer Entschärfung aufzuzeigen. Dabei präsentiert er neueste Forschungsergebnisse von Schlachtgeschichten aus der gesamten Geschichte. Wie war es für einen Fußsoldaten in der Schlacht von Waterloo im Jahr 1815? Wie konnten Shaka Zulu oder Winston Churchill den Nebel des Konflikts durchschauen, bessere Entscheidungen treffen und mit ihren Truppen kommunizieren? Wie werden menschliche Konflikte unsere zukünftigen Technologien prägen? In einer zunehmend gefährlichen Welt, die unsere Werte und unseren Erfolg bedroht, wird das Buch beworben als eine unverzichtbare Lektüre, um zu verstehen, warum wir Kriege führen, verlieren und gewinnen.

Wer mal lebendig erzählt bekommen will, wie es 1981-83 in Polen unter dem Kriegsrecht zuging, für den ist vielleicht das zweisprachige Buch „Ich bin ein Pole – Warschauer Geschichten aus dem Kriegsrecht“ etwas. Sylvio J. Godon war damals ein junger deutscher Student und beschreibt den Alltag zwischen Ausgangssperren und Lebensmittelkarten in Warschau.

In Vladimir Esipovs Buch „Die russische Tragödie“ habe ich gelernt, dass auch die Medien in Russland eine Teilschuld an Putins Aufstieg tragen. Und wer sich mit den Medien in Russland in den 1990ern mal genauer beschäftigen will, da gibt es jetzt das Buch „Media Cultures of the Russian 1990s: Inventing the Post-soviet Public Sphere“. Diese von einer interdisziplinären Gruppe von Experten verfasste Sammlung befasst sich mit den gegenseitigen Einflüssen zwischen unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, die den „Wilden Westen” der Medien in der ersten postsowjetischen Dekade ermöglichten. Als gemeinsame Plattform präsentieren der Band und das dazugehörige Multimedia-Quellenbuch über die 1990er Jahre in Russland die Medienkulturen dieses Jahrzehnts in einer Weise, die ihre historische Vernetzung und ihre Beziehung zur globalen Gegenwart widerspiegelt, heißt es im Klappentext.

Die Historikerin Anna Mazanik präsentiert mit „Sanitizing Moscow“ eine Umweltgeschichte der Reformen im Bereich der öffentlichen Gesundheit im späten imperialen Moskau zwischen 1870 und 1917. Sie untersucht die Beziehung zwischen der urbanen Modernisierung Russlands und der übermenschlichen Umwelt im Kontext der großen sozialen und politischen Veränderungen, die durch die liberalen Reformen der 1860er und 1870er Jahre und den transnationalen Aufstieg der wissenschaftlichen Medizin und der sanitären Technologien ausgelöst wurden.

Wohl nur absolut begeisterte Literaturkenner werden den ungarischen Schriftsteller Ludwig Hatvany (1880-1961) kennen. Zu dieser Person hat Zsuzsa Bognár das Werk „Von der Ambition zur Mission“ jetzt ein Buch herausgebracht. Aus dem Klappentext geht hervor, dass wenig über das literarische und essayistische Werk Hatvanys bekannt ist. Das will Bognár ändern. Auch die vielen Kontakte zu anderen Literaturen beleuchtet die genauer.

Die in Odesa geborene Künstlerin Sonia Delaunay (1885-1979) gehört mit ihrem Mann (†1941) zu den interessantesten Paaren der westlichen Avantgarde. Ihre Mode, die bis heute moderne Designer:innen inspiriert, wurde auf ihrem Höhepunkt in den 1920ern journalistisch und künstlerisch begleitet. Seit den 1950ern ist Delaunay die grande dame der europäischen Abstraktion. Doch vieles in ihrer Vita lag bisher im Halbdunkel, so z. B. ihre russisch-ukrainische Herkunft, die Studienjahre in Karlsruhe, ihre Vernetzung mit den europäischen Avantgarden, aber auch die Erfahrung von Emigration und Exil. In dem Buch „Sonia Delaunay: Kunst und Mode im Zeichen von Emigration und Exil“ von Margarete Zimmermann wird ein neuer Blick auf eine ungewöhnliche Künstlerin und ihr Werk geworfen.

Der Politikwissenschaftler Daniel Marwecki hat sich damit beschäftigt, was auf der Welt so passiert und alles für sein Buch „Die Welt nach dem Westen: Über die Neuordnung der Macht im 21. Jahrhundert“ analysiert. Der Titel klingt etwas nach Untergangsstimmung, so soll es aber wohl nicht gemeint sein. Wie es nach den Kriegen in Gaza und der Ukraine weitergeht, dann noch mit einem Trump als US-Präsident und einem unentschlossenen Europa, das will Marwecki zeigen. Per Leo hat das Buch schon gelegen und wird mit den Worten zitiert, dass die Lektüre reiche Erkenntnis bringe und auch Mut mache. Na dann.
Der rumänischstämmige Autor Alexandru Bulucz könnte so eine Art Kollege von mir sein: er schreibt viel über Literatur. In seinem Buch „Über Leben und Literatur“ hat er Autorinnen und Autoren besprochen oder interviewt, die auf Polnisch, Serbisch, Slowenisch, Slowakisch, Ukrainisch, Ungarisch, Rumänisch oder Russisch schreiben oder geschrieben haben. Schwerpunkte sind auch jüdisches Leben und Schreiben sowie die moderne Erfahrung der Migration und Integration. Es sind Texte enthalten u.a. zu Eugène Ionesco, Marianna Kijanowska, Ryszard Krynicki, Monica Lovinescu, Wisława Szymborska und Alexander Sinowjew, um nur ein paar zu nennen.

Hans-Werner Sinn, der Wirtschaftsexperte mit dem markanten Kinnbart, kommt wohl an dem Thema Russland auch nicht mehr vorbei. In seinem Buch „Trump, Putin und die Vereinigten Staaten von Europa“ erklärt er, was jetzt getan werden muss. Kurz zusammengefasst: Es braucht jetzt einen europäischen Bund, der nicht Teil der EU ist und auch Nicht-EU-Länder wie Großbritannien und Norwegen umfasst, Frankreich muss seine Streitkräfte europäisieren. Nur so kann ein starkes Europa bestehen bleiben. Könnte ganz interessant sein.

Das Buch „Russische Denker“ von Isaiah Berlin ist erstmals 1981 auf Deutsch erschienen. Jetzt ist es neu aufgelegt worden. Herzen, Belinski, Bakunin, Dostojewski, Turgenjew und Tolstoi sind die Hauptgestalten in dem Werk. Eher was für große Fans russischer Literatur oder Literaturstudenten.

Na, wer kann sich über Wappenkunde zur Adelsrepublik Polen-Litauen begeistern? Du? Perfekt! In dem Buch „Chrzanski´s farbige Zusammenstellung von Wappenabwandlungen im heraldischen System der Adelsrepublik Polen-Litauen“ kann man mehr über einen entsprechenden Namen der Szlachta erfahren. Das Werk beinhaltet neben hoch spezialisierten Elementen der Genealogie und Heraldik auch eine grundlegende Einführung in die Gesamtproblematik historischer, gesellschaftlicher und juristischer Ebene der Adelsrepublik Polen-Litauen.

Interessant, es ist ein Buch erschienen, dass sich mit der aktuellen Relevanz der Nürnberger Prinzipien im Kontext der russischen Invasion in der Ukraine befasst. In „Nuremberg Principles and Ukraine: The Contemporary Challenges to Peace, Security and Justice“ geht es u.a. um die Entführung ukrainischer Kinder und die Zerstörung des ukrainischen Kulturerbes. Die Autoren diskutieren auch das Thema der Kriegsverbrechertribunale nach Nürnberg, darunter Timor und das ehemalige Jugoslawien, sowie die Tribunale in Ruanda, Sierra Leone und anderen Ländern, die zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) führten.

Anthony Seldon unternimmt für sein Buch „The Path of Light: Walking to Auschwitz“ zwischen 2023 und 2025 eine 1.300 km lange Wanderung von Kilometre Zero bis nach Auschwitz. Auf seinem Weg durch Städte und Dörfer entdeckt er Geschichten von Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs mutig die Schwachen schützten und dem Bösen widerstanden – seine sogenannten „figures of light“. Aus diesen Begegnungen zieht er Lehren darüber, wie wir heute ein besseres, friedlicheres Leben gestalten können, angesichts der wachsenden globalen Bedrohungen. Das Buch ist eine Mischung aus Reisebericht, historischer Reflexion und moralischer Meditation.

Und noch zwei Reisebücher der heiteren Natur durch Osteuropa. In „Immer den Nüstern nach“ reisen Lotta mit ihrem Freund Stefan und dem Esel Lotta über den Balkan. Dabei erleben sie natürlich allerhand Interessantes.

Und als zweites hätten wir Martin Klauka. Er hat statt eines Esels eine Katze als ständigen Begleiter. Er reist auch viel weiter. Es geht neben Indien, Pakistan, Iran und der Türkei auch durch Osteuropa, genauer gesagt Georgien, Bulgarien und Rumänien.

So, nun wird es hochpreisig. Valerie A. Kivelson hat sich genauer mit visuellen Aufzeichnungen des Moskauer Zarenreichs beschäftigt. In seinem Buch „Images and the Making of the Russian Empire, 1471-1721“ befinden sich 120 wenige bekannte Bilder aus den vergangenen Jahrhunderten. Der Autor untersucht, wie diese Bilder als aktive Mittel für und gegen das Reich fungierten. Das Buch führt vom Thronsaal des Kremls zu den Werkstätten der Graveure in Tschernihiw und Kiew, zum Amur-Flussbecken, zu den eisigen Gipfeln Kamtschatkas – überall dorthin, wo sich Bildsprache und Reich überschnitten, also praktisch überallhin.

Der Akademiker Elliot Dolan-Evans hat sich die Ukraine genauer unter ökomischen Aspekten angesehen. In seinem Buch „Making War Safe for Capitalism: The World Bank, Imf, and the Conflict in Ukraine“ will er die Auswirkungen der wirtschaftlichen Umstrukturierungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) während aktiver Konflikte untersuchen. Die Kapitel enthalten eine detaillierte Fallstudie zur Ukraine während des Krieges im Donbass und analysieren die umstrittenen Reformen in den Bereichen Landwirtschaft, Gas und Renten. Die daraus resultierende Analyse bietet wertvolle Einblicke, wie diese Reformen die politische Ökonomie der Ukraine und das Überleben der von Konflikten betroffenen Bevölkerung seit der russischen Invasion 2022 beeinflusst haben, so der Autor.

Und zum Schluss noch die erste wichtige Publikation in deutscher Sprache zu dem bedeutenden russisch-lettischen Maler Nikolaj P. Bogdanoff-Belsky. Er stieg im zaristischen Russland aus ärmsten Verhältnissen zu einem hochgeachteten Porträtisten und Genremaler auf. Nach der Oktoberrevolution emigrierte er nach Lettland und gewann auch dort schnell große Anerkennung. Das vorliegende Buch gibt einen Einblick in Leben und Werk Bogdanoff-Belskys.
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