
Liebe Freunde Osteuropas! Heute folgen dann die neuen Osteuropa-Romane, die im September neu dazugekommen sind. Es sind diesmal unter anderem Werke aus und über die Ukraine, Polen, Tschechien, Bulgarien, Ungarn, Aserbaidschan und Rumänien dabei.

Lesja Ukrajinka zählt zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der ukrainischen Literatur. „The Forest Song“ ist nun als 15. Werk in der Reihe Harvard library of Ukrainian literature erschienen. Dabei handelt es sich um ein Theaterstück, in dem die Autorin eine symbolistische Meditation über die Interaktion von Mensch und Natur präsentiert, angesiedelt in einer Welt ursprünglicher Kräfte und reiner Gefühle, gesehen durch Kindheitserinnerungen und die Nachbildung lokaler volhynischer Folklore. Nur als Hinweis: Im Oktober erscheint eine Auswahl an Prosatexten von Lesja Ukrajinka mit dem Titel „Am Meer“.

Von der Vergangenheit in die Gegenwart. Auch einer der bedeutendsten lebenden ukrainischen Schriftsteller hat nun ein Theaterstück in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Serhij Zhadan erzählt in „Feuerpause“ vom Donbass im Sommer 2014. Der Tod der Mutter bringt viele Familienmitglieder wieder zusammen. Doch jeder misstraut jedem. Der Krieg zieht einen Riss durch die Familie.

Und noch ein Werk aus der Ukraine. In „Die Rückseite des Krieges“ geht es um viele persönliche Erlebnisse und kuriose Reisenotizen von den Fahrten des Autors an die Front und zurück in seine Heimat Transkarpatien. Es wird deutlich, dass nicht nur die Armee kämpft, sondern zahllose freiwillige Helfer, die tagtäglich an die Front fahren und ihr Leben riskieren, so wie Tausende von Angestellten der Eisenbahn, die trotz schlecht bezahlter Arbeit regelmäßig in die Städte an der Front fahren, obwohl die Bahnhöfe ein vorrangiges Ziel der russischen Raketen sind.

Der US-amerikanische Dokumentarfilmer und Fotograf Matthew Fults widmet sich in seinem Roman „The Sunflower Widows“ auch der Ukraine. Der Roman zeige das stille Leiden von Frauen, deren Leben sich für immer verändert hat, nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in Küchen, Kinderzimmern und leeren Räumen, die sie einst gemeinsam genutzt haben. Sei es Kathryna, die ihren im 2. Weltkrieg gefallenen Vater nie kennengelernt hat, oder die Krankenschwester Yulia, deren Welt zusammengebrochen ist oder Anna, die trotz des Krieges geliebt hat.

Die aus einer aserbaidschanischen Familie stammende Russin Jegana Dschabbarowa hat mit „Die Hände der Frauen in meiner Familie waren nicht zum Schreiben bestimmt“ ihren Debütroman vorgelegt. Es geht um die streng konservative aserbaidschanische Community, die in Russland in der Diaspora lebt und um die Erzählerin, die sich in dieser patriarchalen muslimischen Welt zurechtfinden muss.

Aus dem Georgischen übersetzt ist im September „In deinem Schlaf“ von Ekaterine Togonidze erschienen. Das Buch handelt von Nia, die allein ist, eine einsame Kriegerin. Dann kriegt sie eine lang ersehnte Filmrolle. Eine Fluchtmöglichkeit in eine Art Parallelwelt. Oder vielleicht der einzige Weg, sich mit der Realität zu verbinden und sich selbst zu finden.

Aus Polen kommt ein Roman, der die Geschichte einer Familie in mehreren Generationen erzählt, die tief mit dem einstigen Ostpreußen verwoben ist. In „Die Tiefe“ erzählt Ishbel Szatrawska über eine Region, wo sich seit Jahrhunderten polnische, masurische, deutsche und litauische Identitäten miteinander verflechten. Die Handlung spielt vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart.

Das mit Abstand dickste Buch – mit sage und schreibe 1152 Seiten – legt der in Wien lebende bulgarische Schriftsteller Dimitré Dinev vor. In seinem Jahrhundertroman „Zeit der Mutigen“ geht es um nicht weniger als die Geschichte Europas und die zentralen Fragen des menschlichen Zusammenlebens. Genannt im Klappentext wird nur das Dienstmädchen Eva, die sich am Vorabend des Ersten Weltkrieges ertränken will, aber am Ende durch einen Infanterieleutnant ihre Unschuld verliert. Es ist der Startpunkt einer epischen Geschichte, die sich aus drei großen Erzählsträngen zusammensetzt und sich bis in die heutige Zeit fortspinnt.
Die deutsche Übersetzung eines rund 90 Jahre alten ungarischen Romans ist neu aufgelegt worden. Im erstmals 1936 erschienen Buch „Die Straße der fischenden Katze“ von Jolán Döldes geht es um unterschiedlichste Menschen aus Osteuropa, die in Paris kurz nach dem Ersten Weltkrieg auf der Suche nach einem besseren Leben sind. „Földes gibt in ihrem Roman den vielen Namen- und Heimatlosen ein Gesicht, deren Situation heute ebenso aktuell ist wie zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung“, heißt es im Klappentext.

Aus Tschechien ist der Roman „Die Krähen“ von Petra Dvořáková erschienen. Ein Mädchen wächst in einer Familie voller Gewalt und Angst auf. Die Geschichte wird aus der Sicht des Kindes und der Mutter erzählt, was ein vielschichtiges Bild davon entstehen lässt, wie Beziehungen zugleich Halt versprechen und zerstören können.

Boris Sandler, geboren in der heutigen Republik Moldau, gehört zu den bedeutendsten Kulturschaffenden jiddischer Sprache. In „Als der Golem die Augen schloss“ geht es um ein Pogrom 1903 im damaligen russischen Kaiserreich, das als „Massaker von Kischinjow“ bekannt geworden ist. 49 Tote und Hunderte Opfer gab es damals. In seinem Roman geht es Sandler nicht nur um antisemitische Ressentiments und Gewaltbereitschaft der Täter und Zuschauer, sondern er entwirft zugleich ein lebendiges und unsentimentales Zeugnis vom einstigen Leben im Schtetl und dem multikulturellen Reichtum der jüdischen Kultur- und Geistesgeschichte, so der Klappentext.

In ihrem Roman „Fische im Trüben“, erzählt die Autorin Elli Unruh die Geschichte einer deutsch-mennonitischen Familie, die bis Ende der achtziger Jahre in der Sowjetunion, im südlichen Kasachstan, lebte. Sie taucht ein in die Zeit ihrer Vorfahren, Großeltern und Eltern. Sie schildert das Leben von Menschen, die durch den Lauf der Geschichte und ständig wechselnde Lebensumstände und -orte nicht mehr aus noch ein wissen, aber in Traditionen, Religion und eigener Sprache Halt finden.

Ein wohl eher fiktives Ereignis, angelegt an den Jugoslawienkrieg in den 1990ern nimmt der Autor Lukas Pellmann für seinen Roman „Zwei Tage im Sommer“. Es geht um Simone, die ihre Sommerferien am Neusiedler See verbringt. Dann spitzt sich die Lage in dem österreichisch-ungarischen Grenzgebiet dramatisch zu in ein chaotisches Kriegsszenario. Simone will nur noch mit ihrem Mann ihre Tochter unbeschadet nach Hause bringen und findet in dem ungarischen Soldaten Balász Varga einen unerwarteten Verbündeten.

Die Autorin Bettina Flitner reist für ihren Roman „Meine Mutter“ an den Luftkurort Wölfelsgrund im ehemaligen Niederschlesien, dem heutigen Międzygórze, wo ihre Vorfahren bis zur dramatischen Flucht 1946 ein Sanatorium besessen und geleitet haben. Aus den Erlebnissen ihrer Reise ins heutige Polen, den Tagebüchern und Dokumenten ihrer Familienmitglieder und ihren eigenen Erinnerungen an das Leben ihrer Mutter erschafft Bettina Flitner nicht weniger als ein literarisches Meisterwerk, einen hochspannenden Familienroman, der zugleich eine nachgetragene Versöhnung mit der eigenen Mutter ist und die erlösende Kraft des Erinnerns und des genauen Erzählens demonstriert, heißt es im Klappentext.

Der gerade mal 22-jährige Autor Nelio Biedermann stammt aus einer ungarischen Adelsfamilie und siedelt die Geschichte seines Romans „Lázár“ in die Zeit seiner Vorfahren an. Es geht um eine ungarische Adelsfamilie im 20. Jahrhundert, die in einer Zeit des Untergangs des Habsburgerreichs hineingeboren wird. Als Lajos von Lázár dann das Erbe seinen Vaters antritt, scheint der alte Glanz nochmal aufzublühen, doch die Zeit wird ihn eines Besseren belehren.

Die Autorin Sophia Klink hat Biologie studiert, promoviert gerade und ist zu Forschungszwecken am Weißen Meer in Russland gewesen. Durch ihre Erlebnisse dort hat sie sich zu ihrem Roman „Kurilensee“ inspirieren lassen. Darin geht es um die Biologin Anna, die den See untersucht, die Folgen des Klimawandels sieht. Am Ende sollen die Forscher eine Empfehlung schreiben, ob der See mit Phosphat gedüngt werden soll. Das könnte aber das ganze Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen. Das Buch wirbt damit, dass „sich die rationale Sprache der Wissenschaft und emotionale Naturbetrachtung wie Linsen übereinanderlegen“.

Der sechste Band der Sara-Konrad-Thriller-Reihe führt nach Russland. Die Autorin Marley Alexis erzählt in „Der Russe“ von einer halsbrecherischen Mission. Sara und Jay sollen eine Journalistin aus einem russischen Straflager befreien. Sie sitzt wegen eines Artikels über ein entführtes Kind. Sie retten die Frau und machen sich auf die Suche nach dem Kind, um es wieder zurück zu seiner Familie in die Ukraine zu bringen.

Und noch ein Autor nimmt den aktuellen russischen Krieg als Vorlage für einen Krimi. Der Autor Martin von Arndt schreibt in „Der Wortschatz des Todes“ von der russischstämmigen ehemaligen BKA-Ermittlerin Irina Starilenko. Oleksandr, der Freund ihres Bruders Konstantin, ist ukrainischer Flüchtling in Deutschland. Er soll einen polnischen Geschäftsmann ermordet haben. Doch zum Tatzeitpunkt haben Oleksandr und Konstantin einen Brandanschlag auf ein Haus der Identitären Bewegung verübt. Konstantin kann nicht für Oleksandr aussagen, weil er auf Bewährung draußen ist. Also muss Irina ran und den wahren Täter finden.

Gabriel Bornstein, geboren 1948 in Israel und seit 1983 wohnhaft in Deutschland, schreibt auch im hohen Alter noch Bücher. In seinem Roman „Das Elfte Gebot“ geht es um jungen David Dubnow, Waise, Sohn einer Holocaust-Überlebenden, den es auf der Suche nach dem Vermächtnis seines einzigen Angehörigen in die Sowjetunion des Kalten Krieges, nach Riga, verschlägt. Dort begegnet er den Absurditäten des autoritären Systems, der Frage, wem er trauen kann und wer was warum verbirgt – und der schönen, geheimnisvollen Judica.

Der im polnischen Masuren geborene und als junger Mann nach Deutschland gezogene Schriftsteller Artur Becker kehrt in seinem neuen Roman „Von Barschen, Augustäpfeln und anderen Menschen“ in seine alte Heimat zurück. In fünfzehn Erzählungen führt er durch eine Welt zwischen Masuren und Deutschland, Vergangenheit und Gegenwart, Heimat und Exil. Es geht um Näherinnen, die Urlaub machen und von einem besseren Leben träumen, um einen Sohn, der in Zeiten des Umbruchs zu seiner sterbenden Mutter reist, über verlorene Liebende, gestrandete Existenzen und einen Sozialismus, der sich selbst nicht mehr tragen kann.

So, jetzt geht es ausnahmsweise mal 10.000 Kilometer weiter nach Westen nach Brasilien. Dort lebte die Schriftstellerin Clarice Lispector (1920-1977), kommt aber ursprünglich aus der Ukraine. Nun ist ein kleines Buch mit ihren Texten auf Deutsch erschienen. In „Wildwuchs der Worte“ wird ihr wenig erschlossenes dichterisches Werk einer deutschsprachigen Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Und von drei Werken ist jetzt die günstigere Taschenbuch-Ausgabe zu haben. Da hätten wir einmal „Das Philosophenschiff“ von Michael Köhlmeier. Darin geht es um geht es um die Lebensgeschichte der Architektin Anouk Perleman-Jacob. Geboren in Sankt Petersburg erlebt sie den bolschewistischen Terror und muss auf Lenins Befehl auf dem sogenannten „Philosophenschiff“ ins Exil. Nach tagelanger Fahrt kommt ein letzter Passagier an Bord: Lenin selbst.

Dann der Debütroman „Das Pferd im Brunnen“ der in Russland geborenen deutschen Schauspielerin und Schriftstellerin Valery Tscheplanowa. Die Handlung: Walja, die schon lange in Deutschland lebt, kehrt nach dem Tod ihrer Großmutter in ihre alte Heimat Kasan zurück. Dort begibt sie sich auf Spurensuche und versucht zu verstehen, wo sie selbst herkommt.

Und zuletzt das Buch „The Oligarch’s Daughter“ des US-amerikanischen Schriftstellers Joseph Finder. Es geht um Paul Brightmann, der an der Wallstreet arbeitet und sich in die schöne Fotografin Tatyana verliebt. Was er nicht weiß, sie ist die Tochter eines russischen Oligarchen, den bereits mehrere US-Geheimdienste auf dem Schirm haben. Jetzt steckt er da mit drin und muss eine jahrzehntealte Verschwörung aufdecken, die bis in die höchsten Kreise der Regierung reicht.
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