
Liebe Freunde Osteuropas! Der Monat Mai ist rum, Zeit zurückzublicken, was sich so Neues auf dem #Osteuropa-Buchmarkt tummelt. Der vergangene Monat war etwas ruhiger, aber ich habe 27 Sachbücher und 17 Romane für auch ausfindig gemacht. Da sollte für jeden was dabei sein.

Russland führt nicht nur Krieg in der Ukraine, sondern bedroht auch seine Nachbarstaaten. Um einige dieser Staaten geht es in Oliver Moodys Buch „Konfliktzone Ostsee: Die Zukunft Europas“. Darin beschreibt der Journalist die Geschichte der acht Anrainerstaaten – namentlich Finnland, Schweden, Dänemark, Deutschland, Polen, Estland, Lettland und Litauen – und wie sie sich in der neuen Sicherheitslage positionieren. Laut Moody komme nun auf die acht europäischen Anrainerstaaten an, die Probleme des Kontinents zu bewältigen. Ich lese das Buch gerade und ja, es ist sehr interessant. Hoffe, bald eine Rezension zu veröffentlichen.

Ein in der Ukraine-Bubble sicher sehr bekannter Militärökonom hat im Mai auch ein Buch rausgebracht. Marcus M. Keupp legt „Spurwechsel: Die neue Weltordnung nach Russlands Krieg“ vor. Diese neue Weltordnung will Keupp uns genauer analysieren und uns erklären „warum wir nicht nur vor einem neuen Kalten Krieg stehen, sondern vor einer welthistorischen Grundsatzfrage, die sich in diesen Tagen entscheidet“.

Es ist wohl doch schon im Februar erschienen. Das Religion für den russischen Krieg gegen die Ukraine eine wichtige Rolle spielt, dürfte den meisten klar sein. Wer sich genauer mit der Thematik befassen will, da ist „Religious Elements in the Russian War of Aggression Against Ukraine“ erschienen. Der Band versammelt Beiträge von Autoren aus den Bereichen Politikwissenschaft, Ökumene, Theologie, Geschichte, Soziologie und Ethik. Alle Beiträge eint die Grundannahme, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zwar kein Religionskrieg ist, aber nicht verstanden werden kann, ohne die religiösen Elemente und Begründungszusammenhänge zu berücksichtigen und zu analysieren.

Ostpreußen ist bereits seit fast 80 Jahren Geschichte. Doch selbst heute hat er für die Deutschen noch Bedeutung. Der Journalist Jochen Buchsteiner beschreibt in seinem Buch „Wir Ostpreußen: Eine ganz gewöhnliche deutsche Familiengeschichte“ die Flucht seiner Großmutter und lässt dadurch ein Portrait der fast vergessenen deutschen Provinz entstehen.

Gibt es Architekturfans unter meinen Followern? Da ist es ein Fotoband erschienen. Der Fotograf und Architekturführer Dmytro Soloviov kämpft für den Erhalt des verschwindenden modernistischen Erbes in seiner Heimat Ukraine, heißt es im Klappentext.

Hand aufs Herz, wer weiß, wo Tuschetien liegt? Richtig, es liegt im Kaukasus. Zu der Region ist ebenso ein Bildband erschienen. Er beleuchtet die Themen wie Geschichte, Architektur, Religion, Wirtschaft, Tourismus und soziale Praktiken. Besonders hervorgehoben wird die Transhumanz, eine Viehwirtschaft mit Weidewechsel, und ihre historische Bedeutung.

Wem der Kaukasus als Reiseziel zu weit weg ist. Es geht auch näher. Die drei Freundinnen Katharina Kestler, Antonia Schlosser und Lisa Bartelmus sind auf dem Balkan durch die Berge gewandert. Es ging durch Nordmazedonien, den Kosovo und Albanien. Zehn Tage durch die Wildnis. Was sie da erlebt haben, kann man in dem Buch nachlesen.

Der deutsche Soldat Erich Molke (Jahrgang 1921) war Kriegsgefangener in Russland. Bis Oktober 1949 bleibt er dort, hat aber Briefkontakt mit seinen Eltern und Verwandten. Über diese Zeit anhand der Briefe ist nun das Buch „“Mit den innigsten Grüßen bleibe ich Euer Sohn Erich“: Lebenszeichen aus russischer Kriegsgefangenschaft, 1946 – 1948“ erschienen.

Die Menschenrechtsorganisation Memorial gehört zu den wichtigsten Institutionen in Russland. Im Dezember 2021 wurde die Dachorganisation und sämtliche regionale Niederlassungen in Russland verboten. Doch Memorial gibt nicht auf. Im Mai ist „Memorial: Erinnern ist Widerstand“ erschienen, darin Beiträge von über einem Dutzend Expertinnen und Experten aus den Bereichen historische Forschung, Publizistik und Literatur. Darunter Aleida Assmann, Anne Applebaum, Karl Schlögel, Gerd Koenen, die Literaturnobelpreisträgerinnen Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch, an die Aktionen und Erfolge der mutigen Dissidentinnen und Dissidenten erinnern.

Wie erleben die Ukrainer eigentlich den Krieg? Wer sich dafür interessiert, für den könnte das Buch „By the Second Spring: Seven Lives and One Year of the War in Ukraine“ von Danielle Leavitt sein. Sie ist US-amerikanische Historikerin und in Ukrainer aufgewachsen. Für ihr Buch hat sie auf Online-Tagebücher zurückgegriffen und beschreibt das Leben verschiedener Menschen im ersten Kriegsjahr. Etwa von Vitaly, dessen Pläne, eine Kaffeebar in einem Kiewer Vorort zu eröffnen, scheitern, als die russische Armee durch seine Stadt marschiert und sein Wohnhaus von einer Rakete in zwei Teile gespalten wird. Oder Anna, die ihre Ausbildung an der Polizeiakademie abbricht und eine turbulente Beziehung mit einem Soldaten beginnt, den sie online kennenlernt und Polina, eine Insiderin der Modebranche, die mit ihrem amerikanischen Ehemann aus Los Angeles zurückkehrt, um Hilfe zu organisieren.

Über die berüchtigte Wagner-Gruppe sind schon einige Bücher erschienen. Der Journalist John Lechner hat sie lange begleitet und dutzende Interviews mit Mitgliedern der Söldnertruppe geführt. Daraus ist nun das Buch „Death Is Our Business: Russian Mercenaries and the New Era of Private Warfare“ entstanden. Darin geht es sowohl um die Aktivitäten von Wagner in der Ukraine 2014 als auch was sie auf anderen Kontinenten wie etwa Afrika getrieben haben.

Nicht neu ist das Buch „Propagandabomben und Flugblattgranaten über Kiew: Nationalsozialistische Propagandawaffen im Kampf gegen die Rote Armee“ des Journalisten Georg Tidl. Es ist bereits 2010 (laut Amazon) bzw. 2012 (laut Wiki) erschienen. Und jetzt im Verlag Das Neue Berlin neu herausgebracht worden. Der Titel sagt es ja schon, es geht um Flugblätter, die die Nazis millionenfach an der Ostfront abgeworfen haben, um die Rotarmisten zur Revolte oder zum Überlaufen zu bewegen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass der ehemalige DDR-Verlag nicht ganz unproblematisch ist.

Um Osteuropa geht es hier wohl eher nur indirekt. Der Bodybuilder Bruno Jelovic kommt ursprünglich aus Bosnien und ist seiner alten Heimat mittlerweile viel unterwegs, um Straßenhunden zu helfen. In der Nähe von Sarajevo hat er eine große Ranch errichtet, wo er mehr als 1000 Hunden ein Zuhause gibt. Um diese Ranch geht es in seinem Buch „Der Hundebeschützer: Wie Straßenhunde eine zweite Chance bekommen“ und er gibt Tipps für Hundebesitzer, wie die Aufnahme eines „Streuners“ aus dem Ausland gut gelingt.

Die russisch-amerikanische Journalistin Anna Arutunyan hat zwei Jahrzehnte über die russische Politik in Russland berichtet, bis sie 2022 dann das Land verlassen hat. Sie hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Nun ist ihr neustes – „Rebel Russia: Dissent and Protest from the Tsars to Navalny“ – erschienen. Wie der Titel sagt, es geht um Rebellen, Russen, die sich gegen den Staat aufgelehnt haben. Von der Zeit Ivan des Schrecklichen bis heute. Interessant wäre zu erfahren, was das für die heutige Putinsche Diktatur bedeutet. Denn das Buch wirbt damit, dass die Figuren darin und ihr Leben offenbaren nicht nur das wahre Wesen des russischen Staates offenbaren, sondern auch Hoffnung auf eine zukünftige russische Demokratie geben. Meine Hoffnung ist da ehrlich gesagt extrem gering, aber wer weiß.

Und eine letzte Empfehlung für heute. Wer sich für die Politik in Polen interessiert, da ist ein kleines 80-seitiges Heft erschienen. Es geht unter anderem um die Entwicklung deutschpolnischer Doppelstädte sowie die Umweltprobleme an der Oder. Und um Polens EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2025.

Das Buch „Seize the City, undo the state“ („Die Stadt einnehmen, den Staat auflösen“) von Serhiy Kudelia, Professor für Politikwissenschaft in den USA, ist bereits im Februar als Taschenbuch und jetzt als wesentlich teureres Hardcover erschienen. Klingt aber ziemlich spannend. Er hat sich genauer angesehen, was 2013-14 im Donbas so los war. Unter anderem Charkiw, Odesa und mehr als einem Dutzend weitere Städte. Anhand seiner ausgedehnten Reisen und zahlreicher Interviews mit Konfliktzeugen und -teilnehmern erklärt Kudelia, wie es einer kleinen Gruppe russischer Agenten und lokaler Kämpfer gelang, die staatliche Kontrolle über die größte und am dichtesten besiedelte Region der Ukraine zu beseitigen, während dies anderswo nicht gelang. Kudelia stellt die herkömmlichen Darstellungen des bewaffneten Konflikts im Donbass in Frage, die ihn entweder als einen vollständig von Moskau inszenierten zwischenstaatlichen Konflikt oder als einen Bürgerkrieg darstellen, der ohne jeglichen äußeren Einfluss ausbrach. Stattdessen argumentiert er, dass lokale Akteure die ideologische und organisatorische Grundlage für den Aufstand vorbereiteten, die erfolgreiche Ausbreitung der separatistischen Kontrolle jedoch auf das verdeckte Eingreifen russischer Agenten und die weit verbreitete Zusammenarbeit von Stadtverwaltern und Gemeindeaktivisten mit ihnen zurückzuführen ist.

Der russische Literaturwissenschaftler Michail Bachtin (1895-1975) hat eine Vielzahl an Texten zur Romantheorie veröffentlicht. Diesem Mann hat nun der US-amerikanische Slawistik-Prof ein Buch gewidmet. „Wenn wir uns auf den roten Faden des Abenteuers in Bachtins Denken konzentrieren, stoßen wir auf eine eigentümliche, aber nicht minder dringende ethische Herausforderung: Wir sollten uns den literarischen Helden nicht so vorstellen, als wäre er eine reale Person, sondern erkennen, dass wir uns reale Menschen immer so vorstellen, als wären sie literarische Figuren. Dies ist eine Provokation mit weitreichenden Folgen für unser Verständnis von uns selbst, von einander und von unserer Lage in Raum und Zeit“, heißt es im Klappentext.

Ebenfalls um Literatur geht es in „Subscribing to Sovietdom: The Lives of the Socialist Literary Journal“ von Philip Tuxbury-Gleissner. Genauer gesagt um diese Literaturzeitschriften, die teils millionenfach in der Sowjetunion erschienen sind und in denen die Schriftsteller darum konkurrierten, mit ihren Texten erscheinen zu dürfen. „Durch die Synthese von visueller und literarischer Analyse der Zeitschriften, archivbasierter Literaturgeschichte und computergestützten Ansätzen zur Untersuchung bibliografischer Daten enthüllt das Buch das Medium in seiner Rolle als literarische Institution, visuelles Objekt des Alltagslebens und kulturelles Ereignis“, heißt es im Klappentext.

Judaistische Forschungen hat es in der Sowjetunion fast nicht gegeben. Bis auf eine kurze Zeit in den 1920er Jahren. Doch auch seit den 1970er Jahren haben Mitstreiter der jüdischen Kultur- und Ausreiseszene sich in „Wohnzimmerseminaren“ mit der jüdischen Geschichte und Ethnografie beschäftigt. Anfang der 1980er Jahre begannen in Leningrad junge jüdische Intellektuelle, auf den Spuren ihrer Vorfahren, die verwaisten früheren Schtetl in der Ukraine, Belarus und im Baltikum zu bereisen. Mit einem wachsenden professionellen Anspruch dokumentierten und erforschten sie deren Geschichte und materielles Erbe. Das Buch „Zwischen Ausreisebewegung und Akademie: Judaistik in der späten Sowjetunion“ von Ulrike Huhn beleuchtet erste Aufbrüche und die Neuformierung jüdischer Studien am Ende der Sowjetunion.

Mit der deutschen Minderheit in Ungarn der 1950er und 60er Jahre hat sich die Professorin Ágnes Tóth beschäftigt. So schreibt sie über die von vielen Widersprüchen gekennzeichnete Politik der ungarischen Staats- und Parteiführung gegenüber den Ungarndeutschen sowie die Bemühungen der deutschen Minderheit, als Teil der ungarischen Gesellschaft anerkannt zu werden. Die Monografie bietet einen detaillierten Überblick über alle zentralen Aspekte der Lage der deutschen Minderheit in Ungarn, z. B. der Verbandsstrukturen oder des Bildungs- und Pressewesens, wodurch die Autorin die erste Gesamtdarstellung zur Geschichte der Ungarndeutschen während der ersten Hälfte der kommunistischen Herrschaft vorlegt.

Intervision ist eine 1960 gegründete Einrichtung in den damaligen „Ostblockländern“. Damit sollte der Austausch von Fernsehprogrammen untereinander und mit der westeuropäischen Eurovision gesteuert werden. Welche Sendungen wurden damals ausgetauscht? Wie funktionierte die Zusammenarbeit? In diesem Buch werdet ihr es erfahren.

Und Polen ist auch ein bisschen bei der Fachliteratur dabei. Da hätten wir einmal „Die Briefe der Anna Wasa“. Wasa (1568-1625) war die Tochter des schwedischen Königs Johann II. und der polnischen Prinzessin Katarina Jagellonica. Sie war eine umfassend gebildete und wissenschaftlich interessierte Frau, die in der Literatur auch „Königin der polnischen Botanik“ genannt wird. Sie folgte ihrem Bruder Sigismund II. nach Polen und starb ledig.

Wer es zum absoluten Experten der polnischen Gegenwartsliteratur bringen will, dem empfehle ich das neue Buch von von Przemysław Czapliński und Karoline Thaidigsmann. Wie es der Titel schon sagt, geht es um die polnische Literatur von 1976 bis 2020. „Das Erkenntnisinteresse gilt vor allem der Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen“, heißt es im Klappentext. Unter anderem behandelt der Band das Entstehen einer Mittelschicht im Spiegel der polnischen Prosa, emanzipatorische Literatur (Frauen, Homosexualität), fiktionale und nicht-fiktionale Genres, Science Fiction und Fantasy-Literatur, die ehemaligen Ostgebiete (Kresy) und den Holocaust als Knotenpunkte kollektiver Identität sowie das Thema Polen und seine Nachbarn als kulturgeografische Imagination der Literatur. Gedacht ist die Literaturgeschichte sowohl für die akademische Lehre als auch für ein allgemein interessiertes Lesepublikum.

Wie sich der russische Krieg in der Ukraine auf die anrainenden Staaten auswirkt, darin geht es in „Russische Schockwellen“. Es geht dabei um Länder wie Belarus, Moldau, Serbien und Kosovo, Aserbaidschan, Armenien und Georgien.

Wer mal Bock hat, sich intensiv mit der Sanktionspolitik gegen Russland zu beschäftigen: Justin Samek hat sich die Gerichtsurteile dazu in Luxemburg mal angesehen. Ein besonderer Fokus liegt auf den Klagearten und der Kontrolldichte der Gerichte, die in Bezug auf verschiedene Sanktionsarten kritisch bewertet wird. Abschließend eröffnet die Untersuchung neue Perspektiven für die gerichtliche Praxis und die Forschung.

Victoria Donovan, Professorin für ukrainische und osteuropäische Studien an der schottischen University of St Andrew, hat ein Buch veröffentlicht, dass uns die Lebensrealität der Ukrainer durch Putins Krieg zeigt. Für ihr Buch „Life in Spite of Everything: Tales from the Ukrainian East“ in der Ukraine unter und lässt die Menschen zu Wort kommen, deren Leben dort jetzt stattfindet – Kuratoren, Künstler, Eisenbahnarbeiter, junge Menschen, die inmitten von Instabilität und Zerstörung aufgewachsen sind – und bringt so die Stimmen der Menschen vor Ort zu Gehör und enthüllt die sehr persönliche gelebte Realität von Putins Krieg.

Die Ukrainerin Viktoriia Grivina kommt aus Charkiw. Derzeit schreibt sie an ihrer Doktorarbeit an der St. Andrews University. Im Mai ist im ibidem-Verlag ihre Essaysammlung „Kharkiv―A War City: A Collection of Essays from 2022–2024“ erschienen. Das Buch bietet einen Einblick in das Leben in und um Charkiw während der ersten zwei Jahre der russischen Invasion in der Ukraine. Grivina reflektiert über das Leben in einer Stadt, in der die Tage voller Dichterlesungen und Galerieeröffnungen sind, während die Nächte von Luftangriffen und Explosionen geprägt sind. Verknüpft sind die Texte mit Untersuchungen zur Stadtgeschichte und Mythologie des Charkiw des 20. Jahrhunderts, einem Blick auf die Entkolonialisierungsprozesse der Stadt, neue Aktivistengemeinschaften und auch die Wiederentdeckung der literarischen Bewegung der 1920er Jahre, die als ukrainische Exekutivrenaissance bekannt ist. Die Sammlung enthält auch eine fiktive Geschichte, die einige der dunkleren, irrationalen Ängste und Vorstellungen von Stadtbewohnern während des Krieges erforscht.
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