Liebe Freunde Osteuropas! Heute dann noch die neuen #Osteuropa-Romane von April 2025.

Der wichtigste Roman aus dem April spielt in der Ukraine, ist aber von einem Polen geschrieben. Szczepan Twardoch erzählt in „Die Nulllinie“ von dem großen Krieg, den die Ukraine bereits seit mehr als drei Jahren fest im Griff hat. Twardoch weiß wovon er schreibt, war er doch oft an der Front, kennt Soldaten und deren Schicksal. In „Die Nulllinie“ geht es um Koń. Er meldet sich freiwillig zur ukrainischen Armee. Kommt aus dem reichen Kyjiw in den Donbas. Erlebt an vorderster Front Drohnen, Verletzte und den Tod. Er wie seine Freunde suche nach Sinn in diesem Krieg. Er denkt an seinen Vater, der im Weltkrieg gekämpft hat und versucht bei seiner Geliebten dem Kriegsalltag zu entfliehen – und ahnt doch, dass dieser Krieg für ihn nie enden wird.

Ob vom ukrainischen Schriftsteller Artem Chapeye jemals etwas ins Deutsche übersetzt werden wird, kann ich nicht sagen. Zumindest in englischer Übersetzung ist nun „Ordinary People Don’t Carry Machine Guns: Thoughts on War“ erschienen. Chapeye hat selbst als Soldat gekämpft. In seinem Buch geht es um „seinen Krieg“, intim und sinnlos, und verschweigt nichts über seine Beweggründe, seine Albträume, seine neue Beziehung zur Welt. „Ein Mann, ein Pazifist, der zum Kämpfer wurde, ein Schriftsteller, der zum Soldaten wurde, ein Vater und Ehemann, denkt über die Gründe für den Krieg und die Reaktionen darauf auf einer sehr persönlichen Ebene nach“, heißt es im Klappentext.

Der russische Schriftsteller und Oppositionelle Warlam Schalamow (1907-1982) hat das sowjetische Gulag-System am eigenen Leib erfahren. Aus dieser Zeit ist sein Essayband „Erzählungen aus Kolyma“ entstanden, dass nun neu aufgelegt wurde. Schalamows Erzählungen legen dabei ein bleibendes literarisches Zeugnis ab über die enorme physische wie auch moralische Widerstandskraft des Menschen, heißt es im Klappentext.

Und noch ein altes Buch ist neu aufgelegt worden. Im erstmals 1945 erschienen Roman „Stalingrad“ von Carsten Gansel geht es um Oberst Manfred Vilshofen und Unteroffizier August Gnotke und um den Kampf um die Stadt, die Stalins Namen trägt. „Das Tatsachen-Epos ist ein zeitloses Dokument des Antimilitarismus, das auch achtzig Jahre nach dem Ende dieser beispiellosen Katastrophe Augen zu öffnen vermag – mit anhaltender literarischer Wucht“, heißt es im Klappentext.

Es ist gerade nicht mal vier Monate her, dass Ismail Kadares Roman „Der Anruf“ auf Deutsch erschienen ist, da erscheint im April bereits der nächste des albanischen Autors. Das Buch „Doruntinas Heimkehr“ verarbeitet eine albanische Volkssage. Doruntina kehrt aus dem fernen Böhmen in ihre Heimat zu ihrem Elternhaus zurück. Ihr Bruder Konstantin habe sie gebracht. Doch der ist seit zwei Jahren tot, wie alle neun ihrer Brüder. Ihre Geschichte sorgt für große Unruhe im Dorf. Da versucht Bezirkshauptmann Stres, das Rätsel um Doruntinas Heimkehr zu lösen, und wird doch selbst immer weiter hineingezogen in die unerklärlichen Umstände.

Aus dem Slowakischen übersetzt ist im April „Dauern“ von Mária Bátorová erschienen. Das Buch thematisiert die fiktive politische Situation in der Slowakei mehr als dreißig Jahre nach der Samtenen Revolution. Die Handlung spielt sich in der Familie und im öffentlichen Leben ab und stellt die zentrale Frage, ob man sich während politischer und gesellschaftlicher Wandlungen mit Ehre und Charakter durchschlagen kann.

20 Monate nach der Ersterscheinung ist der Roman „Bis wir Wald werden“ von Birgit Mattausch nun als Taschenbuch zu haben. Als Baby wurde Nanush von ihrer Urgroßmutter von dem fernen Sibirien nach Deutschland getragen. Sie ist der Mittelpunkt aller Geschichten der Wohngemeinschaft, zu der noch Oma Elsa zählt, die weder Hochdeutsch noch Russisch spricht, Felek, die aus Kurdistan geflüchtet ist, Vitali, der sich von seinem Hund beschützen lässt, oder Gregorij, der weiß, wie man Sonnenblumenkerne im Mund schält.

Und etwas Lyrik ist im April auch dabei. Einmal das Lyrikdebüt von Kalman Segals aus dem Jahr 1952. Er lebte in der stalinistischen Volksrepublik Polen, soll als Schriftsteller Volkserzieher sein und den sozialistischen Aufbau verherrlichen. Trotz des strengen Sowjetregimes kann der damals junge Segal über freien Willen und gewissenvolles Handeln dichten. Spürbar ist er von der Existenz der Vernunft und des inneren moralischen Kompasses überzeugt. Segals erster Gedichtband verdeutlicht seine tief verinnerlichten Bezüge zur jüdischen Religion und Kultur. Das Interesse an der jiddischen Sprache ab den 1990er Jahren erlebt er nicht mehr, aber sein erster Gedichtband bleibt nach über siebzig Jahren ein wichtiges Zeitzeugnis seines Ringens um Freiheit und um das Überleben der jüdischen Kultur und Sprache im kommunistischen Polen.

Dann sind Gedichte der Autorin und Übersetzerin Esther Kinsky erschienen. Ich habe „Heim.Statt“ in meine Liste mal aufgenommen, weil die Autorin studierte Slawistin also durchaus Osteuropabezug hat. Ihre „mehrstimmigen Langgedichte“ haben die wiederkehrenden Motive der Gewalt, der Verletzung und des Verstummens.

Und zuletzt noch ein Gedichtband des israelischen Dichters David Rokeah. 1916 im damaligen Lemberg geboren, wanderte er 1934 ins damalige Palästina. Er beherrschte Jiddisch, Hebräisch, Polnisch und Deutsch. Seine Gedichte wurzeln in der jüdischen Tradition der Kabbala, des Chassidismus und nehmen zugleich die Erfahrung des 20. Jahrhunderts mit auf: die Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums, den mühsamen Aufbau eines neuen Staates, die Vielsprachigkeit.

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