Liebe Freunde Osteuropas! Der März ist fast rum, Zeit zurückzublicken, was in diesem Monat alles an #Osteuropa-Neuerscheinungen herausgekommen ist.

Diejenigen, die Victoria Amelina noch persönlich kennengelernt haben, sagten ihr eine grandiose Karriere als Schriftstellerin voraus. Schwer erschütterte die Nachricht über ihren Tod, sie starb an den Folgen der Verletzungen durch einen russischen Raketeneinschlag, die ukrainische Community. In den letzten Monaten vor ihrem Tod hat sich an einem Buch gearbeitet, das nun in deutscher Übersetzung erschienen ist. In „Blick auf Frauen – den Krieg im Blick“ erzählt sie von Erlebnissen mit Journalistinnen, Verteidigerinnen der Menschenrechte, Anwältinnen, die russische Kriegsverbrechen festhalten. Und sie beschreibt ihre eigene Wandlung von der Autorin und Mutter zur Aktivistin.

Nicht nur die Menschen in der Ukraine leiden unfassbar unter dem russischen Krieg. Auch die Natur- und Tierwelt wird auf eine harte Probe gestellt. Diesem Thema hat sich die ukrainische Forscherin Darya Tsymbalyuk in ihrem Buch „Ecocide in Ukraine“ gewidmet und ein „intimes Porträt ihres geliebten Heimatlandes“ vorgelegt. Sie beschreibt die Schäden, die die russischen Boden- und Luftangriffe an Flüssen, der Steppe, den Tieren, Insekten und Vogelkolonien anrichtet.

Zu den größten Migrantengruppen in Deutschland zählen die Russlanddeutschen. In den Medien werden so häufig als gewalttätig, kaum integriert und Putin- sowie AfD-Fans dargestellt. Dass man damit den Russlanddeutschen nicht gerecht wird, findet Ira Peter und hat deshalb das Buch „Deutsch genug? Wir müssen über Russlanddeutsche reden“ herausgebracht. Darin geht sie ausführlich auf ihre eigene Familiengeschichte in Kasachstan und den Weg nach Deutschland und spannt den Bogen über die deutsche Politik, wie sie mit dem Thema umgegangen ist, und wie es nun wirklich mit den Vorwürfen um AfD- und Putinnähe steht.

Zu dem Buch gibt es bereits eine Rezension von mir.

Der Journalist Michael Thumann hat nach „Revanche“ ein neues Buch herausgebracht. Sein Buch „Eisiges Schweigen flussabwärts“ ist ein sehr persönlicher Reisebericht. Es geht für Thumann von Moskau, über Zentralasien und die baltischen Staaten nach Polen und Deutschland. Dabei trifft er viele Menschen aus ganz Osteuropa und schildert deren Ängst vor Russlands Revanchismus und Kriegslust. Thumann beschreibt aber auch seine eigene Familiengeschichte, es geht um den Mauerfall und seine zerplatzten Träume in der Putin-Ära. Und er will uns erklären, was da im deutsch-russischen Verhältnis eigentlich schief gegangen ist.

Ebenfalls über ihre persönliche Familiengeschichte berichtet Sandra Pioro in ihrem Buch „Nie mehr still: Die Reise zu mir selbst“. Die Spurensuche ihrer Familie führt die Tochter eines Auschwitz-Überlebenden, Künstlerin und Jüdin nach Polen. Dort wird ihr erstmals das gesamte Ausmaß des Leidensweges ihres Vaters bewusst, der mehrere Konzentrationslager überlebte. Mit jeder neuen Information erarbeitet sie sich Stück für Stück ihre Identität.

Der Sicherheitsexperte Carlo Masala hat ein kleines Büchlein herausgebracht. In „Wenn Russland gewinnt: Ein Szenario“ spielt er das Gedankenexperiment durch, was passiert, wenn Russland die Ukraine besiegen kann. Übertriebener Alarmismus oder realistische Zukunftsprognose? Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Etwas mehr Seiten hat das Buch „Der Schwarze Dienstag: Warum ein Krieg mit Russland droht und wie die Bundesregierung ihn verhindern kann“ von Christoph von Marschall. Der Journalist widmet sich wie Massala dem Zukunftsszenario eines Angriffs Russlands auf die Nato-Staaten. Von Marschall ist aber optimistisch, dass Deutschland der Gefahr stark entgegentreten kann, wenn es denn will.

Und dann gibt es noch das Buch „Baltic: The Future of Europe“ des Journalisten Oliver Moody. Er legt den Fokus auf die Ostsee beziehungsweise auf die Länder, die daran Grenzen. Estland, Finnland, Polen, Lettland: Für Moody sind diese Länder der Schlüssel zum Verständnis, wie sich die politischen Ereignisse in den kommenden Jahren entwickeln könnten, wenn man an die Bedrohung aus Russland denkt. Für das Buch hat der Journalist mit mit Premierministern, Präsidenten, Generälen, Geheimdienstoffizieren, Wirtschaftsführern und einfachen Menschen gesprochen. Das Buch wird Mitte Mai auch auf Deutsch mit dem Titel „Konfliktzone Ostsee: Die Zukunft Europas“ erscheinen.

Und ergänzend dazu sei noch auf das neue Buch des Historikers Herfried Münkler verwiesen. Osteuropa wird in „Macht im Umbruch: Deutschlands Rolle in Europa und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ wahrscheinlich eher Randthema sein, aber kann vielleicht nicht schaden, sich nochmal in die deutsche Politik einzulesen und wie das Land es laut Münkler schaffen soll, „seine ökonomische, politische und kulturelle Macht und kulturelle Macht so einzusetzen, dass ein Auseinanderfallen Europas verhindert werden kann“. So müssen Deutschland und die EU widerstandsfähig gegen Russland und selbstbewusst im Umgang mit China sein und, falls es nötig werden sollte, als unabhängig von den USA erweisen.

Belarus ist ein Land, dass viel zu sehr in Deutschland unter dem Radar läuft. Deshalb umso erfreulicher, dass sich der Journalist Ingo Petz in seinem Buch „Rasender Stillstand: Belarus – eine Revolution und die Folgen“ widmet. Das letzte Mal, dass die letzte Diktatur Europas groß in den Medien war, müssten die gefälschten Wahlen 2020 und die daraus folgenden großen Proteste gewesen sein. Was seitdem in der Gesellschaft passiert ist, wie das Regime mit seinem Volk umgeht und was die Opposition im Exil macht. Dazu gibt uns Petz mit seinem Buch ein Update.

Ebenfalls um die Folgen der belarusischen Revolution geht es in „Manifest einer Gartenlosen“ von Tania Arcimovich. In ihrem Essay gilt der Garten so als eine Art Metapher für den Staat, wenn ich den Klappentext richtig deute. Sie stellt sich die Frage, welch radikal andere Zukunft es geben kann, die der Epoche der Herrschaft, der sozialen Ungleichheit und Ausbeutung ein Ende setzt. Muss nicht mehr als das Wir das Ich mobilisiert werden, um der Verantwortung für den Garten gerecht zu werden, den ich pflege?

Und wenn wir gerade beim Thema Belarus sind. Da ist auch ein Fachbuch erschienen. Der Historiker Thomas M. Bohn geht mit „Weißrussland oder Belarus?“ tief in die Historie. Bohn zeichnet in seiner Monographie die Vorstellungen nach, die die Denkfigur der Weißen Ruß in historischen Karten und Geschichtswerken eingenommen hat und ordnet sie fünf übergreifenden Etappen vom 13. bis ins 20. Jahrhundert zu. Es wird danach gefragt, unter welcher Beschriftung sich belarusische Städte auf alten Landkarten wiederfinden und wie das Territorium, zu dem sie gehörten, im historischen Schriftverkehr bezeichnet wurde. Also ist wohl eher was für das Fachpublikum.

Auch ein Land, das eher selten in meinen Monats-Updates vorkommt, ist Ungarn. Die Journalistin Petra Thorbrietz beschreibt in ihrem Buch „Wir werden Europa erobern! Ungarn, Viktor Orbán und die unterwanderte Demokratie“, wie sich das Land in jüngster Zeit verändert hat, wie eine Demokratie mit ihren eigenen Mitteln außer Kraft gesetzt werden kann und zuletzt stellt sich Thorbrietz die Frage, warum die EU nicht konsequent reagiert hat, was Deutschland versäumt hat und wie wir verhindern können, dass der Flächenbrand weitergeht.

Das vor gut zwei Jahren erschienene Buch „Russia against modernity“ des Historikers Alexander Etkin ist nun auch in deutscher Übersetzung erschienen. In seinem Buch erklärt Etkin wie der russische Krieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern generell gegen die moderne Welt gerichtet ist. Er enthüllt durch eine Analyse von Russlands Sozialstrukturen und kulturellen Dynamiken die Kräfte, die den Kampf gegen die Moderne antreiben, und plädiert für die Idee eines deföderierten Russlands, das nach einem Kriegsende andere Wege einschlagen könnte, heißt es im Klappentext.

Ins historische Russland geht es dann wieder mit dem Buch „Die letzte Fahrt des Zaren“ von Jörg Baberowski. Zar Nikolaus I. fuhr mit seinem Hofstaat Ende Februar 1917 aus Petrograd ab, ohne zu wissen, dass sein Reich kurz danach Geschichte ist. Was damals geschah und dass alles auch ganz anders hätte kommen können, beschreibt Baberowski in seinem Buch.

Die Weltpolitik in einem Buch. Das verspricht die Neuerscheinung „Fischen mit Lech Wałęsa: Weltpolitik aus erster Hand – ORF Reporter:innen erzählen“. Darin beleuchtet Eugen Freund die politische Entwicklung in den USA , Roland Adrowitzer erklärt die wachsende Krisenstimmung in Deutschland. Friedrich Orter zeigt auf, warum der Balkan nicht zur Ruhe kommt, Susanne Scholl beschäftigt der Rechtsruck in Europa. Und Afrika-Spezialistin Margit Maximilian nimmt den Leser bzw. die Leserin mit auf eine erhellende Reise durch verschiedene Länder des Kontinents. So verspricht es der Klappentext. Dazu kommen noch weitere Analysen zu Russland, China, Japan, Brasilien, Frankreich, Italien, Polen, den baltischen Staaten – und Österreich.

Direkt an der italienisch-slowenischen Grenze liegen die beiden Städte Gorizia (IT) und Nova Gorica (SL), beide tragen – neben der Stadt Chemnitz – den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2025“. Passend dazu ist jetzt ein reich bebildertes Buch erschienen. Das Buch richtet sich wohl vorrangig an Touristen, die diese Städte mal besuchen wollen.

Dass die Ukrainer, was Digitalisierung angeht, uns weit voraus sind, haben sicher alle mitbekommen. Wie sie bereits in den 1940er Jahren in technischen Bereichen sehr versiert waren, beschreibt das Buch „Innovation in Isolation: The Story of Ukrainian It from the 1940s to the Present“ von Volodymyr Nevzorov und Victoria Ugryumova. Das Buch spannt einen Bogen von den frühen Entwicklungen der Computertechnologien während der Sowjetzeit bis zum Aufstieg moderner IT-Unternehmen und zeichnet die Entwicklung der Ukraine zu einem globalen Technologiezentrum nach.

Viele wollen mit Russland aktuell nichts zu tun haben. Und das ist verständlich. Wer aber doch sich ein Bild von der russischen Gesellschaft machen will, für den ist vielleicht „Everyday Politics in Russia: From Resentment to Resistance“ von Jeremy Morris etwas. Der Akademiker hat mit Gemeinden in Moskau, regionalen Städten und ländlichen Gebieten zusammengearbeitet, um Perspektiven auf das russische Alltagsleben zu eröffnen, die dem Westen heute völlig unzugänglich sind. Basierend auf jahrzehntelangen Gesprächen mit Menschen aus den verschiedensten Bereichen der russischen Gesellschaft – von Sicherheitsbeamten bis zu Fabrikarbeitern, von arbeitslosen jungen Männern bis zu Bürgerjournalisten und Aktivisten – bietet dieses Buch den bisher umfassendsten Einblick in die Komplexität der russischen Einstellungen zum Krieg, zu ihrer Regierung und zur politischen Entwicklung nach 1991. So verspricht es zumindest der Klappentext.

In ihren Essays „Lindenblüten für Bücher“ schreibt Lindita Arapi über die albanische Diktatur, die Studentenproteste von 1990, die politische Verfolgung und den steinigen Weg Richtung Demokratie. Erst nach der Wende 1990 hat sie die Möglichkeit, zu studieren. Es bewegt sie die Distanz, die entsteht, als sie ihr Heimatland verlässt, und sie fragt sich: Wie hängen Sprache und Heimat zusammen? Darf ich über mein Heimatland in einer fremden Sprache schreiben? Sie fängt an, zu schreiben – auf Deutsch, weil sie für diese Erlebnisse, diese Zeit, eine neue Sprache finden muss.

Die Welt bezeichnete den österreichischen Schriftsteller Rainer Maria Rilke mal als den ersten Russlandversteher. Zu seinem 150. Geburtstag kommt natürlich auch eine neue Biographie heraus. Russland wird da sicher nicht das Hauptthema sein, sondern das Leben und Schaffen Rilkes. Unerwähnt wollte ich das Buch „Rilke: Dichter der Angst“ von Manfred Koch aber nicht lassen.

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Der Gründer des Magazins Katapult, Benjamin Friedrich, hat sich tiefgründiger mit den Themen Krieg und Frieden beschäftigt. Herausgekommen ist das kleine Buch „Wie Kriege enden: 100 Friedensfälle aus 100 Jahren Kriegsgeschichte“. In diesen 100 Fällen des 20. Und 21. Jahrhunderts will Friedrich uns zeigen, wie Kriege beendet wurden und welche Variante bis heute nachhaltig Frieden sichert.

Für die Literaturwissenschaftler unter euch hat die freie Schriftstellerin Steffi Memmert-Lunau das Buch „Birken: Ein Porträt“ geschrieben. Sie möchte mit ihrem Werk die „strotzende Kraft einer Pflanze, die selbst noch in größter Dunkelheit die Fähigkeit besitzt, Licht zu spenden“, erschließen. Vor allem in der slawischen und skandinavischen Kultur spielt der Baum eine große Rolle.

Manuela Boatcă ist Professorin für Soziologie, Anca Parvulescu Professorin für Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft. Zusammen haben sie jetzt das Buch „Die Kreolisierung der Moderne: Siebenbürgen zwischen Kolonialität und Interimperialität“ herausgebracht. Das historische Siebenbürgen an der Schnittstelle zwischen dem Habsburgerreich, dem Osmanischen Reich, Österreich-Ungarn und Russland dient ihnen als Basis für eine Mehrebenen-Lektüre der Hauptthemen in Liviu Rebreanus 1920 erschienenem Roman »Ion«. Diese reichen von der Frage nach der kapitalistischen Integration der Region über Antisemitismus und Versklavung von Roma bis hin zu Mehrsprachigkeit, Geschlechterbeziehungen und Religion.

Der Autor Felix Philipp Ingold hat schon viel über russische Literatur publiziert. In seinem neuesten Werk geht es in die 1920 bis 1940 Jahre nach Paris. Und zwar in die Welt der russischen Exilanten. Das Buch besteht „aus 13 parallelbiographischen Kapiteln, welche Ähnlichkeiten wie auch Unterschiede [in den privaten und künstlerischen Zusammenhängen] klar zutagebringen – wie beim Ehepaar Sinaida Gippius und Dmitrij Mereshkowskij, oder solchen, die sich in herzlicher Abneigung zugetan waren, wie Vladimir Nabokov und Iwan Bunin“.

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Der in Sibirien geborene Journalist Konstantin Kropotkin hat sich in einem kleinen Buch mit den Lebenswirklichkeiten queerer Geflüchteter aus Post-Ost beschäftigt. Darin erzählen fünf queere Menschen aus Post-Ost, die nach Deutschland geflohen sind, ihre Lebensgeschichten: vom Kampf für die eigene queere Identität und für ein offenes Leben – vor der Flucht und heute.

Zum Balkan ist ein neues Buch erschienen. Die Historikerin Maria Todorova hat ihre jahrzehntelange Expertise in „Der Balkan: Mission Impossible“ einfließen lassen. Tom Cruise kommt dort mit aller Wahrscheinlichkeit nicht vor. Im ersten von drei Teilen zeichnet sie die Anfänge und den Niedergang des Balkans sowie den Fallout dieser Entwicklung nach und geht auf einige der Versäumnisse und Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte ein. Todorova versteht den Balkan als vergängliches Gebilde und spürt seiner wechselhaften Geschichte nach, von seiner Entstehung über sein absehbares Ende als geopolitisches Konstrukt bis hin zu seinem Vermächtnis als Signifikant. Der zweite Teil beschreibt die verschiedenen Ansätze zur Erfassung dieses sich bewegenden Objekts (dead reckoning) und konzentriert sich insbesondere auf die Frage der Tauglichkeit von Post- und Dekolonialität als jüngsten Ergänzungen der Balkan-Epistemologie. Im dritten Teil (rogue nation) wird anhand von Kurzbiographien relativ unbekannter Personen aus Bulgarien die Macht und die Fallstricke des »Framing« aufgezeigt.

Bereits im Mai 2022 erschienen und nun in der günstigeren Taschenbuchausgabe zu haben ist „From Crimea with Love: Misadventures in the Making of Sharpe’s Rifles“ von Jason Salkey. Sharpe’s Rifles ist eine britische Fernsehserie, ein napoleonisches Kriegsdrama, die von 1993 bis 2008 lief. Der Autor Jason Salkey ist einer der Hauptdarsteller der Serie und hat für das Buch all die Missgeschicke, Fehler, Inkompetenz und Korruption dokumentiert, die dazu führten, dass Sharpe’s Rifles in die britische Fernsehgeschichte einging, weil sie eine einzigartige Geschichte der Härte erzählt. „Begleiten Sie die Darsteller durch intensive Entbehrungen und ständige Katastrophen, bis sie zu den verbitterten, kampferprobten Soldaten werden, die wir auf dem Bildschirm gesehen haben. Anhand seiner Tagebücher, Fototagebücher und Videoprotokolle liefert Jason einen augenöffnenden, atemberaubenden Insiderbericht über eine der beliebtesten Serien aller Zeiten“, wird für das Buch geworben. Also ich habe von der Serie nix mitbekommen. Gibt’s unter meinen Followern Briten, die die Serie kennen?

Und sollte es demnächst jemanden von euch nach Großbritannien verschlagen, dann wird er vielleicht „One Woman Walks Europe“ von Ursula Martin in den Bücherregalen entdecken. Die Frau ist 5500 Meilen quer durch Europa gelaufen. Es ist eine Reise von Wales in die Ukraine und wieder zurück. Warum man sich für einen Selbstfindungstrip ausgerechnet die Ukraine aussuchen muss, um das herauszufinden, müsst ihr dann das Buch lesen.

Der Autor Jakub Szumski hat das Buch mit dem etwas sperrigen Titel „Transformation der Aufarbeitung – Transformation der Erinnerung“ geschrieben. Dieser Sammelband untersucht den Umgang mit dem symbolischen und materiellen Erbe des Kommunismus in Deutschland und Polen an den Schnittstellen zwischen Aufarbeitung, Erinnerung und Geschichtspolitik. Durch Historisierung und vergleichende Analyse von Fallbeispielen, der damit verbundenen Debatten und ihrer Konsequenzen leistet er einen Beitrag zum Verständnis der gesellschaftlichen Transformationsprozesse in Europa seit 1990.

Und nochmal Polen und zwar eine Gesamtschau deutscher Polenpolitik seit 1918: Die Autorinnen und Autoren des Bandes „100 Jahre deutsche Polenpolitik, 1918 bis 2018“ blicken zurück in eine ausgesprochen dynamische Beziehungsgeschichte. Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Polen Ende 1918 hat sich die deutsche Politik Polen mal angenähert, sich mal von Polen abgewandt, unterbrochen vom Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs. Zwischen traditionellem Polenbild, Verständigung in den Jahrzehnten nach 1945 und heutiger Partnerschaft bewegte sich politisches und diplomatisches Handeln.

Das Buch „The Ravine of Memory“ von Shay A. Pilnik will die vorherrschenden binären Vorstellungen von Babyn Yar als ausschließliche Geschichte des Holocausts oder des „Großen Vaterländischen Krieges“ infrage stellen. Sie ist weder das ausschließliche Produkt der sowjetischen Zensur noch einzelner Dissidenten. Babyn Yar ist mehr als ein physischer Ort, an dem sich unsagbare Schrecken ereigneten. In symbolischer Hinsicht ist es der ultimative Treffpunkt so vieler unterschiedlicher Fäden der sowjetischen Kultur: des Staates und des Künstlers, des Juden und des Nicht-Juden, des Holocaust und des Großen Vaterländischen Krieges. Letztlich ist es ein Ort, der die Zerbrechlichkeit und den Mut derer offenbart, die Zeugen von Gräueltaten sind.

Um den Erscheinungstag habe ich etwas davon mitbekommen, aber wie wichtig das neue Buch von Joschka Fischer ist, vermag ich nicht zu sagen. Wenn es interessiert, kann sich ja mal durchlesen, was Fischer zur aktuellen Weltlage zu sagen hat. Russland spielt in dem Buch ja auch eine Rolle. Ob auch die Ukraine, wer weiß?

Vier Jahrzehnte ist der Journalist Charles Hecker durch die Sowjetunion und Russland gereist. In seinem Buch „Zero Sum: The Arc of International Business in Russia“ (zu Deutsch: Nullsumme: Der Bogen des internationalen Geschäfts in Russland) schreibt er darüber, was sich ab 1991 in Russland wirtschaftlich so getan hat, die Höhepunkte, als auch die Tiefpunkte. Und was die Unternehmen aus diesem Abenteuer gelernt haben – oder auch nicht.

Ebenfalls mit Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich der Akademiker Bradley A. Gorski in seinem Buch „Cultural Capitalism: Literature and the Market After Socialism“ beschäftigt. Darin geht es aber um den Buchmarkt. Was macht die postsowjetische Literatur aus? Wie schwer wiegte das sowjetische Erbe? Welche Trends setzte die Literatur aus Russland in der Welt? Auf diese Fragen will Gorski Antworten geben.

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Und nochmal um Literatur geht es in Paweł Zajas Werk „Sozialistische Transnationalisierung: Literarische Verflechtungen im europäischen »Ostblock«“. Er konzentriert sich auf die letzten gemeinsamen Erfahrungen Mittel- und Osteuropas im Sozialismus. Wie sah dieser sozialistische Literaturbetrieb aus? Genau geht Zajas auf die Zusammenarbeit verlegerischer, literarischer und kulturpolitischer Institutionen ein, die diese Zeit geprägt haben.

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Noch`n Gedicht, höre ich Heinz Erhardt schon rufen. Noch ein Werk über Literatur. In „Bombenlegerinnen, Mörderinnen und Rebellinnen: Literarische Transgressionen bei Maria Janion und Sylwia Chutnik“. Chutnik hat mir ihrem Debütroman »Kieszonkowy atlas kobiet« von 2008 (zu Deutsch „Weibskram“, 2012) martialische Frauenfiguren erfunden, die für die Transgression heteronormativer Geschlechterrollen stehen. Sie sprengen kulturelle Muster, überschreiten Geschlechtergrenzen und verankern queere Rollen in der polnischen Kultur. Janion (1926-2020), war Romantikforscherin und intellektuelle Autorität in Polen. Ihre Forschung zur Transgression dient dabei nicht nur als Schlüssel für Chutniks queer-feministisches literarisches Programm, sondern steht für die in Europa kaum bekannte Intellektuelle als Vordenkerin des polnischen Feminismus der 1990er Jahre.

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Wer sich für die Sprachen, die in er Ukraine gesprochen werden, interessiert, für den ist ein neues ibidem-Buch etwas. In dem Sammelband „Contested Language Diversity in Wartime Ukraine“ zeichnen die Beiträge ein ganzheitliches Bild der Sprachsituation, des Sprachgebrauchs und der Einstellungen der Menschen in der Ukraine. Es werden dort verschiedene sprachliche Minderheiten (Ungarn, Rumänen, Gagausen u.a.) beschrieben, ihr Sprachverhalten und ihre Einstellungen zur staatlichen und regionalen Sprachpolitik. Zudem werden Prozesse der Sprachverschiebung in der Ukraine beleuchtet, die durch die Kriegssituation beschleunigt werden. Darüber hinaus geht es in dem Band um die Auswirkungen des Krieges auf die Sprachsituation und vergleicht nationale und regionale Perspektiven des Sprachgebrauchs.

Der emeritierte Professor Joseph Laurence Black hat sich mit der modernen russischen Gesellschaft beschäftigt. In seinem Buch „Vladimir Putin’s Version of War and Peace: The Battle for the Russian Home Front, 2022-2024“ stellt er in den ersten Kapiteln den Verlauf des Krieges dar, wobei der Schwerpunkt auf den Folgen des Krieges für die Russen im eigenen Land liegt. Die Auswirkungen werden in Kapiteln über die russische Politik, die Wirtschaft, die Menschen- und Bürgerrechte und die internationalen Beziehungen des Kremls behandelt. Auch Russlands erzwungene und gewählte Orientierung nach Osten auf der Suche nach politischen und wirtschaftlichen Verbündeten wird untersucht. Vor allem aber beleuchtet dieses Buch die Versuche der russischen Regierung, eine loyale Bürgerschaft zu schaffen.

In einer zweiten, erweiterten Auflage ist das Buch „20 Jahre Außenpolitik der Ukraine: Vom Majdan 2004 bis zur Lage Anfang 2025“ von Thomas Beck erschienen. Der Politikwissenschaftler und Historiker macht in seinem erst eine Bestandsaufnahme zur Entwicklung des Konflikts seit der „Orangenen Revolution“. Zudem wird in der Neuauflage mit Blick auf einen Waffenstillstand und einen daran anschließenden Friedensvertrag diskutiert verschiedene Fragen diskutiert. Etwa, ob dritte Mächte Druck auf die Ukraine ausüben dürfen, Territorien abzutreten, um den Krieg zu beenden; unter anderem ob sich der Aggressor bestätigt fühlen wird, ungestraft mitten in Europa konventionelle Kriege erfolgreich führen zu können und ob nur zur Ukraine verhandelt oder der Konflikt mit dem revisionistischen Russland in einem größeren geographischen Rahmen erörtert werde.

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Der Honorarprofessor Victor Jakupec hat sich in seinem Buch „The West’s Response to the Ukraine War“ mit dem russischen Krieg beschäftigt bzw. wie der Westen/die Nato darauf reagiert. Es soll neue Perspektiven auf die geopolitischen Verschiebungen bieten, die die Machtdynamik und die traditionellen internationalen Beziehungen neu gestalten. Jakupec sieht das Buch als ein Plädoyer für ein Überdenken des globalen politischen Rahmens angesichts der weiteren Entwicklung des Krieges. Ist das ein Buch in Varwicks Sinne? Ich vermag es nicht zu sagen.

Im Buch „Mein Vater, der Spion: Im Auftrag von CIA und MfS“ schreibt Jürgen Tatzkow, wie es der Titel schon sagt über seinen Vater. Der arbeitete in der DDR sowohl für die CIA wie auch später als er aufflog für das Ministerium für Staatssicherheit. Jürgen Tatzkow konnte seinen Vater noch selbst interviewen und recherchierte in Archiven nach für sein Buch.

Die Finnin Tania Tervonen und Patricia Klobusiczky haben ein Buch über die Gräuel des Bosnienkrieges herausgebracht. In „Die Reparatur der Lebenden“ geht es um Massengräber in Bosnien und Herzegowina und wie zwei Frauen versuchen mittels DNA-Proben und Aussagen von den noch Lebenden vermisste Personen zu identifizieren. Und diese Arbeit ist wesentlich umfangreicher, als Ternoven erst denkt. „Mit großer Empathie begleitet sie die Suche nach der Wahrheit, die für die Geschichte des Landes und für die Familien, die nie um ihre Angehörigen trauern konnten, von entscheidender Bedeutung ist“, heißt es im Klappentext.

Und sollte es jemanden in diesem Sommer nach Masuren verschlagen. Der Wieser Verlag hat nun auch zu dieser traumhaft schönen Region ein Buch herausgebracht. Ich muss aber zugeben, dass der Klappentext etwas nichtssagend ist. Ich verstehe nicht, ob es in dem Buch um die Geschichte der Region, die Wirtschaft, die Menschen, die Kultur geht? Wahrscheinlich von allem etwas.

Na, wer feiert genau heute seinen 300. Geburtstag? Richtig, der Herzensbrecher Giacomo Casanova. Der Kultur- und Literaturwissenschaftler Lothar Müller hat sich in seinem Buch „Die Feuerschrift“ dem Leben dieses Mannes gewidmet. Er will damit die falsche Vorstellung korrigieren, er sei in seiner letzten Lebensphase zu einem isolierten Bibliothekar geworden. Oh, nein. Er war hochvernetzt, hat alle Umbrüche in Europa verfolgt und kommentiert, von der russischen Annexion der Krim bis zur endgültigen Aufteilung Polens, vom Sturm auf die Bastille bis zum Untergang der Republik Venedig. Auch unternahm Casanova viele und lange Reisen, so die in diesem Buch erstmals ausführlich beleuchtete Reise in die preußische Hauptstadt und von dort nach Russland und Polen.

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