Sachbücher

Liebe Freunde Osteuropas! Der Monat August neigt sich dem Ende. Ihr wisst, was das heißt. Es ist mal wieder Zeit für mein Update zu den spannendsten #Osteuropa-Neuerscheinungen. Und da ist diesmal so richtig viel dabei. Heute sind die Sachbücher dran, morgen die Romane.

Der Journalist Stephan Orth hat wieder ein Couchsurfing-Buch herausgebracht. Diesmal war er für acht Monate in der Ukraine unterwegs. Er zeigt das Land im Krieg, wie die Menschen das alles aushalten und warum sie trotz allem die Hoffnung nicht aufgeben. Ein sehr lesenswertes Buch.

Yaroslav Hrytsak gehört zu den ganz Großen unter den Ukraine-Historikern. Jetzt ist endlich sein Buch „Ukraine: Biographie einer bedrängten Nation“ auf Deutsch erschienen. Mit mehr als 500 Seiten etwas dicker geraten, aber wer die Ukraine und ihren aktuellen Freiheitskampf besser verstehen will, der muss dieses Buch lesen.

Und eine weitere Ukraine-Historikerin hat im August ihr Werk vorgelegt. Elvira Plesskaja-Sebold schreibt „Deutsche in Odessa“ über die Hafenstadt im Süden der Ukraine. Plesskaja-Sebold will auf anschauliche Weise das Wissen über das Leben und Wirken der einflussreichsten Deutschen in Odessa im 19. und 20. Jahrhundert vermitteln.

Viele Ausländer kämpfen mit in der Ukraine gegen Russland. Darunter sind auch der US-Amerikaner Chad Robichaux und sein Sohn Hunter. Gott habe den Vater dazu eingeladen, in der Ukraine zu kämpfen, heißt es im Klappentext. Scheint ziemlich christlich angehaucht zu sein das Buch. Aber vielleicht mal interessant, den Krieg durch den Blick eines US-Amerikaners zu sehen.

Jahrzehntelang hat die BBC-Journalistin Sarah Rainsford mit Unterbrechungen aus Russland berichtet. Im August 2021 musste sie das Land verlassen. Jetzt hat sie unter dem Titel „Goodbye to Russia: A Personal Reckoning from the Ruins of War“ eine persönliche Abrechnung geschrieben. Sie beschreibt die 90er Jahre in Russland, die sie selbst als Korrespondentin erlebt hat und wie Putin das Land so tiefgreifend verändert hat.

Und noch ein Buch eines US-Amerikaners zu Russlands Krieg gegen die Ukraine ist erschienen. John J. Sullivan war US-Botschaft in Moskau, als Putin eine „militärische Spezialoperation“ begann. In seinem Buch „Midnight in Moscow: A Memoir from the Front Lines of Russia’s War Against the West“ beschreibt Sullivan, wie in den Büros der US-Botschaft und in den Hallen des Kremls passierte, als Putin den Befehl zum Angriff gab.

Ich liebe Bücher, die uns das Big Picture zeigen und erklären. Noch mehr mag ich die kleinen, persönlichen Geschichten, die uns ganz nah an die Menschen heranbringen. Soll ein Buch könnte „Displaced“ des russischen Journalisten Valery Panyushkin sein. Er deckt die Geschichten gewöhnlicher Ukrainer auf, die in das Chaos des Krieges gestürzt und über Nacht von Bürgern in Opfer und Flüchtlinge verwandelt wurden. Panyushkin wirft ein Licht auf die brutalen Verbrechen des russischen Regimes und bietet einen notwendigen Akt der Wahrheitsfindung und Sühne, heißt es im Klappentext.

Seit ein paar Jahren finden #Osteuropa-Interessierte die beiden Werke „Leben und Schicksal“ und „Stalingrad“ des in der heutigen ukrainischen Stadt Berditschew geborenen sowjetischen Schriftstellers Wassili Grossmann in Buchhandlungen. Jetzt erscheint seine „Armenische Reise“ auf Deutsch. Nachdem sein Jahrhundertroman „Leben und Schicksal“ beschlagnahmt wurde, fährt Grossmann nach Armenien, um den Kopf frei zu bekommen. Ein Bucher voller Bekenntnisse, Essays und Anekdoten. Wer mehr über Armenien im 20. Jahrhundert erfahren will, ist hier sicher an der richtigen Stelle.

Wenn es um die Zerstörung freiheitlicher Demokratien geht, stehen zwei Staaten an der Spitze: Russland und China. Der Journalist Adrian Geiges kennt beide Länder sehr gut. In seinem Buch „Front gegen die Freiheit: Peking, Moskau und ihre Komplizen in aller Welt“ erzählt er die Geschichte der chinesisch-sowjetischen und chinesisch-russischen Beziehungen, die die Welt heute mehr prägen denn je. Und er untersucht, auf welche »nützlichen Idioten« sich diese Allianz im Westen stützen kann.

Hand aufs Herz: Könnt ihr ohne zu Googeln mit dem Namen Katalin Karikó etwas anfangen? Sie hat 2023 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Ihre mRNA-Forschung machte die Covid-Impfstoffe möglich. Geboren und aufgewachsen ist sie im kommunistischen Ungarn, 1985 reiste sie in die USA aus. In „Durchbruch: Mein Leben für die Forschung“ erzählt Karikó ihre Lebensgeschichte. Es soll eine Anklage an engstirniges Denken und ein Zeugnis für das Engagement einer Frau in einer von Prestige, Macht und Privilegien geprägten Männerwelt, sein, wie es im Klappentext steht.

Mick Ryan, Generalmajor in der australischen Armee, will seine Expertise als Militär in Russlands Krieg gegen die Ukraine einbringen. In seinem Buch „The War for Ukraine: Strategy and Adaptation Under Fire” untersucht Ryan die Grundlagen der ukrainischen und russischen Strategie für den laufenden Krieg und blickt dabei mehrere Jahrzehnte zurück, um aufzuzeigen, wie beide Seiten ihre militärische Strategie und Streitkräftestruktur weiterentwickelt haben. Vielleicht eher was Spezielleres. Das Buch soll aber auch für allgemeine Leser, die sich mit den aktuellen globalen Konflikten beschäftigen, interessant sein.

So, jetzt wird’s akademischer. Oleh Poshedin und Maryna Chulaievska haben sich in ihrem 76-seitigen Werk „Die existenzielle Bedrohung der Ukraine: ihre wackelige militärische Sicherheit“ damit beschäftigt, wie das Land seine Sicherheit und Souveränität gewährleisten kann. Ob durch internationale Abkommen oder durch einen neutralen oder bündnisfreien Status.

Der Autor ist mir vollkommen unbekannt, aber der Klappentext klingt durchaus interesannt. Nicolas Logarithme hat ein gut 100-seitiges Büchlein veröffentlicht mit dem Titel „Die Augen verschliessen: Ein Plädoyer für die Demokratie“. Darin geht es um „Diktaturen, die DDR und der KGB, Indoktrination, die Neutralität der Schweiz, uralte Reflexe, die Unterstützung der Ukraine und unsere Fähigkeit, die Augen zu verschließen“. Das Buch soll ein „Schrei gegen Aggressionen, ein Schrei für die Ukraine, ein Schrei für Demokratie, ein Schrei, um uns die Augen zu öffnen“. Klingt nicht unspannend.

Wer sich für den polnischen Dichter Zbigniew Herbert interessiert. Im August sind seine Werke in einem Buch versammelt unter dem Titel „Reconstruction of the Poet: Uncollected Works of Zbigniew Herbert“ erschienen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine bringt es mit sich, dass sich vermehrt Akademiker mit dem Thema Krieg und dann in besonderer Weise auf den Krieg in der Ukraine bezogen beschäftigen. Im August hat der Forscher Max Haller das Buch „Die letzte Invasion: Der Ukrainekrieg im Lichte von Kants Friedenstheorie“ herausgebracht. Anhand von historisch-soziologischen Vergleichen, der Auswertung von Umfragen, Medienberichten und persönlichen Interviews will Haller zeigen, dass Kriege durch ungezügelte Interessen wirtschaftlicher, politischer oder militärischer Mächte entstehen, Demokratie, Völkerrecht und supranationale Institutionen aber reale Chancen auf Frieden eröffnen.

Und an alle Osteuropa-Historiker unter meinen Followern. Vielleicht lohnt ja mal ein Blick auf die Neuerscheinung „Generationenwechsel in den Osteuropastudien: Studentische Perspektiven auf Bruchlinien und Kontinuitäten in Osteuropa“.
Romane und Lyrik

Liebe Freunde Osteuropas! Und heute werfen wir noch einen Blick auf die Romane, die im August 2024 mit #Osteuropa-Bezug erschienen sind.

Ein preisgekrönter Roman aus Frankreich ist jetzt auf Deutsch erschienen. Die Schriftstellerin Gaëlle Nohant erzählt in ihrem Buch „All die gestohlenen Erinnerungen“ vom Schicksal von Juden, die im KZ gelebt haben. Die Hauptfigur Irène arbeitet für das Arolsen Archive (das gibt es wirklich) und will über ein Stoffpierrot und Medaillon, die Nachfahren deren Besitzer – einmal dem KZ-Überlebenden Lazar, dessen Spur sich in Griechenland verliert, und der Polin Wita, die das Medaillon in Auschwitz bei sich trug.

Der bekannte ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan kämpft ja mittlerweile selbst an der Front, um seine Heimatstadt Charkiw zu verteidigen. Aber er publiziert auch weiterhin fleißig. Bis zum nächsten deutschsprachigen Buch dauert es noch ein paar Monate (da soll der Gerichtband „Chronik des eigenen Atems“ erscheinen). Jetzt ist erstmal auf Englisch „A Harvest Truce“ erschienen. Es ist ein Theaterstück, das in der Ostukraine noch vor der großen russischen Vollinvasion spielt. Zwei Brüder kommen zusammen, um die Mutter zu beerdigen. Doch in diesen Kriegszeiten ist das gar nicht so einfach möglich. Das Werk habe wohl etwas von „Warten auf Godot“.

Hier ein Buch, das das Thema Osteuropa nur am Rande streift. In „Das Wesen des Lebens“ der finnischen Autorin Iida Turpeinen geht es darum, wie wir Menschen – von unserer Sehnsucht nach Erkenntnis getrieben, die Natur unwiderruflich zerstören. Im Buch geht es um die Große Nordische Expedition in der Beringsee im 18. Jahrhundert, um die russisch-amerikanische Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska (das ist der Osteuropa-Part) und die Vogelinseln in Helsinki.

Der zweite Roman der ukrainischen Schriftstellerin Oksana Lutsyshyna ist mir im Juli durchgerutscht. In „Love life“ erzählt Lutsyshyna von Yora, die von der Ukraine in die USA auswandert. Sie verliebt sich in einen Mann, doch die endet unglücklich. Das Buch beschreibt „eine faszinierende Geschichte der Selbstfindung inmitten der Komplexität der Anpassung an ein neues Leben“.

Die österreichische Schriftstellerin Ljuba Arnautović veröffentlichte 2018 ihren ersten Roman („Im Verborgenen“). Nach „Junischnee“ im Jahr 2021 ist nun ihr neuer Roman „Erste Töchter“ erschienen. Das Buch handelt von zwei Schwestern, die in unterschiedlichen Welten aufwachsen. Die eine in einfachen Verhältnissen bei der Mutter in Wien, die andere beim Vater mit seiner neuen bürgerlichen Familie in München. Was hat das mit Osteuropa zu tun? Der Vater war zwölf Jahre im Gulag, kommt mit Frau und den Töchtern nach Wien. Doch das Schicksal dieser „Russen“ interessiert im Nachkriegsösterreich niemanden.

Wie Arnautović wird der ebenfalls österreichische Schriftsteller Kurt Palm in seinem neuen Roman „Trockenes Feld“ sehr persönlich. Seine Eltern wurden aus Jugoslawien vertrieben. Als Kind interessiert das Palm erstmal nicht besonders. Erst als seine Eltern sterben, will er mehr über seine Familiengeschichte erfahren. Ein Buch über seine Herkunft, über Fluchterfahrungen, über Täterschaft und Mitläufertum.

Der zweite Teil der Berlin-Trilogie von Sobo Swobodnik ist erschienen. Im ersten Teil „Fucktown“ geht es um einen Serienmörder in Berlin, derer die Kommissarin Mechthild und ihr alter Kollege Bo nicht habhaft werden können. Im zweiten Teil „Oh Gott“ muss Bu, nach fünf Jahren ausgenüchtert aus einem Kloster nach Berlin zurückkehren, um seiner Kollegin Mechthild abermals zu helfen. Diesmal wurde ein Kind ermordet, dass sich als ukrainischer Flüchtling herausstellte. Und noch mehr Kinder scheinen verschwunden zu sein.

Der ukrainische Filmregisseur Oleh Senzow war, nachdem er am 11. Mai 2014 auf der Krym festgenommen wurde, für mehr als fünf Jahre in russischer Gefangenschaft. Für 145 Tage trat er gar in einen Hungerstreik. Genau um diesen Hungerstreik geht es in seinem Buch. Zusätzlich sind noch Kurzgeschichten in dem 544 Seiten starken Buch vorhanden.

Für die jüngeren Leser vielleicht etwas: „Mein freches Fahrrad Fridolin“ von der Autorin Nina Daschewskaja und der Illustratorin Evgeniya Dwoskina. Es geht dabei um das Kind Sewka und sein sprechendes Fahrrad Fridolin. Er fährt mit Fridolin durch die Stadt der verlorenen Dinge und das Dorf der Riesen und findet am Ende das, wovon er nicht zu träumen gewagt hat: Echte Freunde.

Und ein weiteres Kinderbuch ist diesen Monat erschienen. Zumindest die günstigere Taschenbuchausgabe. In „Wir sind Wölfe“ von Katrina Nannestad geht es um das Schicksal der Wolfskinder. So nannte man die Kinder, die am Ende des Zweiten Weltkrieges ohne Eltern aus Ostpreußen fliehen und ohne ihre Eltern klarkommen mussten. In Nannestads Buch geht es um die drei Geschwister Liesl, Otto und Mia, die auf ihrer Flucht drei verwahrloste Jungen finden, die ihnen vom Kriegsende und dem Tod Hitlers erzählen. Der Klappentext lässt erahnen, dass es ein Happyend gibt.

Und noch ein Kinderbuch, diesmal auf Englisch, haben die Autorin Oksana Lushchevska und die Illustrstorin Kateryna Stepanishcheva herausgebracht. Das Bilderbuch „Silent Night, my Astonaut“ ist für Kleinkinder und soll den Krieg in der Ukraine aus der Perspektive eines Kindes zeigen.

Das Buch „Foolsburg: The History of a Town” des russischen Satirikers Michail Saltykow-Schtschedrin (1826-1889) ist neu ins Englische übersetzt worden. In dem 1870 erstmals erschienen Buch geht es um die farcenhafte Chronik einer fiktiven Stadt. Die Bewohner ertragen passiv die Gewalt ihres Herrschers. Ist durch Putin wieder ziemlich aktuell geworden. Das Buch ist auch auf Deutsch unter dem Titel „Geschichte einer Stadt“ erschienen.

Die kanadische Autorin Myrna Kostash ist Write-in-Residence (würde ich ins Deutsche als Stadtschreiberin übersetzen) an der Athabasca University. Kurz zuvor begann Russlands Großinvasion in die Ukraine. In ihrem Essay „Writing Ukraine“ bietet Kostash eine selbstkritische Reflexion über ihr bisheriges Schreiben und überlegt, wie ihre Besuche in der Ukraine und der andauernde Krieg ihr Schreiben über und ihr Verständnis der ukrainisch-kanadischen Identität nuanciert haben.
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