Sachbücher

Liebe Freunde Osteuropas! Der Juli ist vorbei und es wieder viel Neues erschienen zu #Osteuropa. Die Ukraine kommt leider sträflich wenig vor, aber zumindest ist diesen Monat ein Buch zu Belarus erschienen. Hier bringe ich euch mal ein den neusten Stand.

Im Buch „Jewish Odesa: Negotiating Identities and Traditions in Contemporary Ukraine” der britischen Anthropologin Marina Sapritsky-nahum geht es – wie es der Titel schon sagt – um das jüdische Odesa. Die Autorin beschreibt, wie sich der jüdische Charakter der Stadt gewandelt hat. Ehemals war Odesa eine Stadt, die für ihre fortschrittlichen jüdischen Traditionen berühmt war, heute wird sie mehr vom orthodoxen Judentum dominiert.

Marion Kilchester war jahrzehntelang Lehrerin und hat im Alter angefangen, Bücher zu schreiben. Ihr zweites Buch ist die Biografie mit dem Titel „Ludmila: From Opression to Freedom“. Ludmila lebt in der Ukraine und verliert als kleines Mädchen mit ihren Eltern alles. Sie muss ums Überleben kämpfen, landet in einer russischen Komsomol-Schule, in der ihr alles, was mit ihrer ukrainischen Herkunft zu tun hat, verboten wird. Im Zweiten Weltkrieg kommt sie als Zwangsarbeiterin nach Deutschland, wo sie eine unwahrscheinliche Liebesgeschichte beginnt.

Und ein drittes Buch zum Thema Ukraine, das vor allem für Ministerien, Sicherheitsbehörden und Kommunen konzipiert wurde, hat Professor Stefan Goertz vorgelegt. „Der Krieg in der Ukraine und die Folgen für Deutschland und Europa“ ist schon mal im November 2022 erschienen, jetzt kommt eine aktualisierte Ausgabe. Goertz erläutert die Relevanz von Russlands Krieg gegen die Ukraine für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands. Auch untersucht der Autor die Flüchtlingssituation sowie die wirtschafts- und energiepolitischen Folgen untersucht.

Die bekannte Osteuropahistorikerin Anne Applebaum hat ein neues Buch veröffentlicht. In „Autocracy, Inc: The Dictators Who Want to Run the World” beschäftigt sich Applebaum mit Autokratien und wie sie heute funktionieren. Denn eine Autokratie stützt sich nicht nur einen „bösen Mann an der Spitze“, sondern auf ein ausgeklügeltes Netzwerk. Wie dieses Netzwerk funktioniert und wie die demokratische Welt unwissentlich dazu beigetragen hat, will uns die Autorin in diesem Buch erklären.

Nawalny ist weiterhin auf dem Büchermarkt präsent. Der Investigativ-Journalist John Sweeney hat sich dem bekannten Oppositionellen gewidmet und ein Buch geschrieben, das nun auch in deutscher Sprache erhältlich ist. Das Buch wirbt mit einer „packenden Biografie über den Oppositionsführer“.

Die Akademikerin Karolina Krasuska hat sich in ihrem Buch „Soviet-born: The Afterlives of Migration in Jewish American Fiction“ mit den Werken von jüdischen sowjetischen US-Einwanderern beschäftigt, unter anderem dem Amerikaner Gary Shteyngart und dem Kanadier David Bezmozgis. In den Werken geht es oft um Themen wie kulturelle Geografie, die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, Kommunismus, Genderthemen und Sexualität, Genealogie und schließlich Migration. Die Autorin will mit ihrem Buch aufzeigen, wie diese Autoren der Diaspora mit ihrer kritischen Haltung gegenüber Identitätskategorien das Feld dessen, was kanonisch jüdisch-amerikanisch ist, für breitere zeitgenössische Debatten öffnen.

Kapka Kassabova ist gebürtige Bulgarin und lebt heute in Schottland. Oft ist sie ihre Bücher gereist. In ihrem aktuellsten Werk „Anima: A Wild Pastoral“ lebte sie einen Sommer auf dem Balkan mit Hirten und ihren Hunden und Tieren zusammen und beschreibt deren Leben.

David Junk war der erste CEO von Universal Music in Moskau. Zusammen mit den Autoren Fred Bronson sie jetzt das Buch „Rockin‘ the Kremlin: My Incredible True Story of Gangsters, Oligarchs, and Pop Stars in Putin’s Russia“ herausgebracht. Darin wird die Geschichte erzählt, wie die westeuropäische Musik nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Russland gekommen ist. Neben bekannten Bands wie Metallica, Mariah Carey und Sting, die in Russland auftraten, haben sie auch lokale Talente wie etwa t.A.T.u gefördert. Nach den zwei Invasionen Russlands in die Ukraine habe das die Musikindustrie zwar etwas getrübt, aber David Junk habe eine neue Generation russischer Musiker hervorgebracht, die sich gegen den Krieg und Putin aussprechen.

Belarus ist für viele – und selbst für mich teilweise – ein weißer Fleck auf der Landkarte. Wer kennt sich schon mit der Geschichte dieses Landes aus? Wer das ändern will, für den ist vielleicht die Neuerscheinung von Tino Stenström etwas. In  „Belarus – A Silenced History: A Chronological Account from the Middle Ages to the War in Ukraine“ erzählt der Autor die Geschichte des Landes und will zeigen, dass die russische Assimilationspolitik und die Bezeichnung von Belarus als „Russlands kleiner Bruder“ Elemente einer bewussten imperialistischen Politik waren, da Belarus den größten Teil seiner Geschichte mit Polen und Litauen teilt. Das Buch reicht bis in die Gegenwart, der russische Invasionskrieg ist Thema als auch die Frage, wie und ob Belarus seine historischen Verbindungen zu Polen und Litauen wiederherstellen kann.

Mit „Gas, Gas, … und dann Feuer: Häftlingsnummer B 11632“ von František R. Kraus ist der erste Bericht eines tschechischen Shoah-Überlebenden, der bereits 1945 erschien, jetzt auch in deutscher Erstübersetzung erschienen. Kraus (1903-1967) war Schriftsteller und Journalist. Er berichtete ab 1933 kritisch über das NS-Regime, kam nach der Besetzung Böhmens und Mährens nach Theresienstadt, drei Jahre später dann nach Ausschwitz. Da ihm auf einem Todesmarsch die Flucht gelang, konnte er direkt im April 1945 seine Erlebnisse niederschreiben.

In dem Band „Demokratie oder Faschismus: Was heute auf dem Spiel steht“ soll der globale Rechtsruck analysiert und nach Gegenstrategien gefragt werden. Unter den Autoren sind namhafte Osteuropa-Experten wie Irina Scherbakowa und Timothy Snyder.

Version 1.0.0

Und noch ein wissenschaftlicher Essayband ist im Juli erschienen. Aber diesmal von einem Autor. Leonid Luks beschreibt in „Warum scheitern russische Demokratien?: Vergleichende Betrachtungen und Essays“ warum die beiden Demokratieversuche Russlands in den Jahren 1917 und 1991 gescheitert sind.

In der Beckschen Reihe ist das Buch „Der Kalte Krieg“ von Bernd Stöver nun in einer aktualisierten Ausgabe erschienen. Was genau aktualisiert wurde, wird aus dem Klappentext nicht klar, aber bei der Beckschen Reihe kann man eigentlich nie etwas falsch machen.

Thomas Gaiton Marullo, Professor für russische Sprache und Literatur, hat die Erinnerungen des russischen Schriftstellers Iwan Bunin nun einem Band herausgebracht.

Belletristik

Liebe Freunde Osteuropa! Heute stelle ich euch noch die neu erschienenen Romane im Juli mit #Osteuropa-Bezug vor. Es ist wieder einiges an spannenden Büchern dabei. Gehen wir es eben durch.

Erst im Januar 2024 hat der Journalist Yaroslav Trofimov mit „Our enemies will vanish“ ein viel beachtetes Sachbuch über den russischen Invasionskrieg in die Ukraine geschrieben. Jetzt bringt er einen Roman raus und wieder geht es um die Ukraine. In „no country for love“ spielt in den 1930er Jahren in Charkiw. Die literaturverliebte Debora Rosenbaum kommt in die damalige Hauptstadt der neuen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, um ihr eigenes Schicksal als moderne Frau zu bestimmen. Sie verliebt sich, kriegt ein Kind. Doch der Holodomor und die Nazis zwingen sie dazu, den Mann, den sie liebt, ihre Identität und sogar ihren Namen zu verleugnen. Sie lernt zu ertragen, zu manipulieren und Widerstand zu leisten.

Ein Buch über den Krieg, das sich an Jugendliche richtet. In „Elektrizität und Himmelsfische“ der Autoren Andrej Bulbenko und Marta Kajdanowskaja (beides Pseudonyme) geht es um die 14-jährige Marzia, die nach einem plötzlichen Raketenbeschuss mit ihrer Familie die Stadt verlassen muss. Auf der Flucht zur Grenze erlebt sie Gewalt, Not, Willkür und Demütigung. Da alles schreibt sie in einem Tagebuch auf und übergibt es dem Schriftsteller Andrej Bulbenko. Er darf es erst lesen, wenn sich das Mädchen eine Woche nicht gemeldet hat. Bulbenko beginnt zu lesen…

Mai Raben legt mit „Unter Dojczen“ ihr Debütroman vor. Darin geht es um die hanseatische Matriarchin Ursula von Klewen und ihre polnische Pflegekraft Jola. Die beiden Frauen erleben in ihrem Alltag einige Abenteuer miteinander. Und schließlich vertraut Jola Uschi sogar ihr größtes Geheimnis an.

Jörg Rehmanns neuer Roman „Davon“ spielt vorrangig in Berlin. Es geht um die Drogensucht des Autors und die Spannungen zwischen seinen Eltern. Die Familie seiner Mutter musste nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schlesien fliehen. Die Mutter ist AfD-Fan, der Vater wünscht sich die DDR zurück. Um clean zu bleiben, helfen dem Autor Reisen in die Vergangenheit seiner Familie nach Polen und die Ukraine.

In Georgien, genauer gesagt Tbilisi, spielt das Buch „Das zweite Zimmer“ von Magda Kalandadse. Es geht um Elene, die eine Frau liebt. Da das in Georgien immer noch nicht gesellschaftlich akzeptiert wird, lebt sie zurückgezogen in ihrer Wohnung. Als sie aufgrund von Geldsorgen ihr zweites Schlafzimmer untervermieten muss, zieht dort die junge LBGTQ-Aktivistin Lena ein. Stoff für einen spannenden Coming-Out-Roman.

Ebenfalls um gleichgeschlechtliche Liebe geht es in dem Roman „Du und ich und die Schwalben“ der beiden Autorinnen Katerina Silanowa und Elena Malisowa. Es ist der zweite Band über die Liebe zwischen Jura und Wolodja (der erste Band ist unter dem Titel „Du und ich und der Sommer“ erschienen). In einem Sommerlager in Charkiw hatten sich die beiden kennen und lieben gelernt. Im zweiten Buch treffen sich die beiden nach 20 Jahren wieder. Während Jura glücklich darüber ist, seine Jugendliebe wiederzusehen, hadert Wolodja allerdings mit seinen Gefühlen. Zu viel Schlimmes ist in all den Jahren passiert.

Die polnische Lyrikerin mit dem selbst für mich schwer auszusprechenden Namen Anna Świrszyzyńska hat den Warschauer Aufstand 1944 als Sanitäterin hautnah miterlebt und in Gedichten festgehalten. Diese sind nun einer zweisprachigen deutsch-polnischen Ausgabe erschienen.

Um einen Transsibirien-Express von China nach Moskau geht es in Sarah Brooks Buch „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“. Das Ganze ist Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt, drei Figuren spielen dabei eine besondere Rolle, ein in Ungnade gefallener Wissenschaftler, eine Frau, die unter falschem Namen reist, und eine Frau, die seit ihrer Geburt im Zug immer mitreist.

Etwas seichtere Literatur bietet Eva Seifert. In „Die Frühstücksfrauen – Ein Geheimnis in Pommern“ geht es um Marlene, die sich monatlich mit ihren Freundinnen zum Frühstück trifft. Eine willkommene Abwechslung für die geschiedene Single-Mutter. Als Marlenes Mutter Editha zunehmend senil wird und von düsteren Kindheitserinnerungen über die Flucht aus Ostpommern 1945 erzählt, geht sie Marlene mit ihren Freundinnen auf Spurensuche.

Die Autorin Martina Sahler hat den zweiten Teil ihrer Auswanderer-Trilogie herausgebracht. In „Dunkel Wälder, ferne Sehnsucht“ geht es um die Weber-Schwestern, die, nachdem sie ihr Heimatdorf in Hessen verlassen haben, nun im fernen Russland aus Auswanderer in einer deutschen Siedlung leben. Von den drei Schwestern lebt 1870 aber nur noch Klara in der Siedlung, Eleonora ist nach Saratow gezogen, Christina lebt in der russischen Hauptstadt. Das Schicksal hält große Herausforderungen für die drei kämpferischen Frauen bereit.

Version 1.0.0

Und zu guter Letzt ist noch „Freiheitsentwürfe“ der beiden russischen Schriftsteller Pavel Gelman und Ivan Razumov erschienen. Der Comic beschreibt ein Russland in naher Zukunft. Eine Zukunft, in der in private Geheimnisse eingedrungen wird, der Staat die Werkfreiheit des Künstlers einschränkt und menschliche Gefühle verboten sind. In drei Episoden erzählen die Autoren von den Möglichkeiten der nahen Zukunft, in der Hoffnung, dass diese nicht eintritt.

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