Liebe Freunde Osteuropas! Am meisten interessiert mich, wie d Ukrainer über den Krieg denken. Und passend dazu ist heute endlich „Couchsurfing in der Ukraine“ von Stephan Orth erschienen. Und wieder schafft es Orth auf seine besondere Weise, uns ein Land zu erklären.

Der Journalist Stephan Orth hat schon mehrere Couchsurfing-Bücher geschrieben. Über den Iran, über China, über Saudi-Arabien, über Russland und nun auch konsequenterweise auch eines über die Ukraine. Warum konsequent? Nachdem er 2019 den Deutschen Russland erklären und näherbringen wollte, war es nun an der Zeit, in das Land zu gehen, dass unter Russland gerade am meisten leiden muss.

Die Idee für so ein Buch bleibt nach wie vor genial. Mittels Couchsurfen – also dem Übernachten bei Fremden – kommt man schnell direkt ins Gespräch mit den Menschen. Das ist die beste Art, sich ein Land und deren Menschen zu erschließen. Und weiterhin bietet Orth – wie auch schon in seinem Couchsurfing Russland-Buch, das einzig weiter, das ich von ihm bislang gelesen habe – auch Hintergrundinformationen zu den Städten und zur Geschichte des Landes.

Eigentlich ist die Ukraine gerade ein Land im Ausnahmezustand. Aber in diesem Zustand kann man nicht permanent leben. Die Menschen gehen weiter arbeiten, in Restaurants und auch mal ins Kino, Theater und die Oper. Und sie bieten weiterhin für Couchsurfer einen Platz zum Schlafen. Auch wenn es seit der großen russischen Invasion viel weniger geworden sind, wie Orth auf der Suche nach Schlafplätzen feststellen muss.

Orths Reise führt ihn in mehr als ein Dutzend ukrainischer Städte, von der Hauptstadt Kyjiw, über frontnahe Städte wie Charkiw und Kostjantyniwka oder der „sichersten Stadt“ der Ukraine, Tscherniwzi. Da sie im Westen und nah an der rumänischen Grenze liegt, schlagen in der Region nur selten russische Raketen ein.

Die Menschen, die Orth in der Ukraine trifft, sind fast ausschließlich pro-ukrainisch. Wie könnte es auch anders sein in diesen Zeiten. Nur zwei Personen kommen bei ihm zu Wort, die pro-russisch sind. Und auch einen Kontakt nach Russland beschreibt Orth in seinem Buch, der aber schon bald nach dem 24. Februar 2022 abbricht.

Der Autor beschreibt selbst, wie die vielen Flugalarme, der laute Knall von abgeschossenen Raketen in mit der Zeit angespannter machen und erschöpfen. Wie muss es da erst für die Ukrainer sein, die nicht am Ende in einen Zug steigen und einfach nach Hause ins sichere Deutschland fahren können. Deshalb beschreibt Orth am Anfang des Buches auch, ob er in dieser Zeit überhaupt sich Menschen quasi durch das Couchsurfing aufdrängen soll, wenn sie doch gerade wirklich anderes im Kopf haben.

Orth beschreibt Menschen, die es gelernt haben, mit dem Krieg umzugehen. Und immer bleibt die Zuversicht, dass die Ukraine siegreich aus dem Krieg hervorgehen wird. Themen wie Gebietsabtretungen kommen in dem Buch nicht vor, das Thema Korruption und Stepan Bandera (bekannter Nationalist) wird nur am Rande mal gestreift.

Was noch sehr lobenswert über das Buch zu erwähnen ist: Immer wieder bringt Stephan Orth die absoluten Basic Facts über die Ukraine, wie ich sie mal nennen will. Also das absolute Grund-Ein-Mal-Eins von zur Nato-Osterweiterung, über die russische Kultur in der Ukraine und die gängigsten Lügen, die Putin als Rechtfertigung für seinen Krieg angibt.

Stephan Orth schafft es wieder auf seine ganze eigene Art, uns die Menschen eines Landes näherzubringen. Gerade in diesen Zeiten, in denen durch EM und Olympia die Ukraine nahezu vollständig aus den Medien verschwunden ist, sind solche Bücher umso wichtiger. Und meine Heimatstadt Aachen findet in dem Buch sogar auch Erwähnung.

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Eine Antwort zu „Nr. 71: „Couchsurfing in der Ukraine“ von Stephan Orth”.

  1. Avatar von buecherliebhaberin
    buecherliebhaberin

    Danke für diesen Tipp!
    Obwohl da der Bestseller-Aufkleber zu sehen ist, lese ich das erste Mal von diesem Buch. Interessant und auch erstaunlich, dass Couchsurfing in der Ukraine immer noch möglich ist.

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