
Liebe Freunde Osteuropas! Als Russland seine Großinvasion in die Ukraine startete, erinnerte das mittelosteuropäische Staaten wie Polen oder Lettland an ihre eigene Geschichte. Wie diese Traumata bis heute wirken, zeigen Jarosław Kuisz und Karolina Wigura in ihrem Essay.
In ihrem gut 170-seitigen Essay „Posttraumatische Souveränität“ legen die beiden Wissenschaftler den Fokus auf die kleineren Staaten zwischen Deutschland und Russland. Staaten, die sehr gut nachempfinden können, wie sich die Ukraine heute fühlt. Für Leute, die sich in Osteuropa etwas auskennen, ist es keine neue Information, dass Staaten wie Polen, Lettland oder Tschechien lange Zeit entweder überhaupt nicht existierten oder nur unter Fremdherrschaft. Somit gab es schon lange Warnungen aus dem Osten Richtung Deutschland, Putins imperiale Bestrebungen nicht zu unterschätzen. Genützt hat es, wie wir heute alle wissen nichts.
Interessant ist der historische Vergleich der beiden von vor 100 Jahren. Als drei Reiche (Habsburgermonarchie, Osmanisches Reich und das russische Zarenreich) zerfielen und dadurch eine Vielzahl kleinerer Staaten sich bilden konnten. Auch damals war nach dem Willen mancher (ehemaliger) Großmächte den kleineren keine lange Lebenszeit bestimmt. Man nannte sie verächtlich „Saisonstaaten“.
Das Buch bietet für mich aber auch Überraschendes. Denn wie lässt sich erklären, wieso Polen nach 1989 sich in einen Staat wandelte, in dem jahrelang nationalistische Populisten regieren, während es in der Ukraine eine Demokratie gibt mit verbreiteter Korruption und Estland sowie Finnland gut funktionierende Demokratien sind? Die Antwort von Kuisz und Wigura: Wichtiger als unter welchem System die Menschen leben, war und ist ihnen die Souveränität. Und dass diese Souveränität nie wirklich 100-prozentig gegeben ist, sah etwa Polen schon in den 1990ern, als Russland Krieg im Kaukasus führte. Wenn der russische Imperialismus diesen Staat trifft, kann es auch andere treffen.
Ein Teil des Buches beschäftigt sich auch tiefer mit der Thematik der Posttraumatischen Belastungsstörung. Woher kommt der Begriff, wie ist er entstanden, wie wird er angewandt? Da wurde es für mich ehrlich gesagt dann etwas zu technisch.
Das Buch ist streckenweise eher speziell, gibt aber interessante Einblicke in die Geschichte der (eher vernachlässigten) kleineren mittelosteuropäischen Staaten. Vor allem die Parallelen von vor 100 Jahren fand ich sehr spannend. Und die Analyse über die Entwicklungen etwa in Polen oder Finnland. Ist jetzt vielleicht kein Buch, das jeder gelesen haben muss. Wer den Titel aber ansprechend findet, sollte es sich auf jeden Fall mal ansehen.
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