
Liebe Freunde Osteuropas! Oft wird auf die Kuba-Krise verwiesen, um Putins „Angst“ vor einer Nato-Einkreisung zu rechtfertigen. Es heißt: „Die USA haben auch keine Atomraketen bei sich geduldet.“ Einen guten Überblick, was da 1962 los war, gibt der Historiker Bernd Greiner.
Die Hauptmotivation, mich mal in diese Geschehnisse einzulesen, war, um Argumente gegen diesen meiner Meinung nach falschem Vergleich der Kuba-Krise mit der „Nato-Einkreisung“ Russlands zu finden. Und mein Fazit der Lektüre wäre: Die Thematik ist durchaus komplex. Aber wie Greiner in seinem knapp 120 Seiten langen Büchlein am Anfang aufführt, müssen erstmal Sichtachsen in einem überwucherten Terrain freigelegt werden. Denn mit der Zeit wurde einiges überdramatisiert.
So ist Greiner daran gelegen, die Vorgeschichte (mit) zu erzählen. Zu Beginn gibt er einen kurzen Abriss über die Biografien von John F. Kennedy, Fidel Castro und Nikita Chruschtschow. Kennedy und Chruschtschow haben beide Minderwertigkeitskomplexe und den unbedingten Drang, sich beweisen zu müssen. Kennedy, weil er als Kind sehr krank war, Chruschtschow wegen seiner schlechten Bildung. Ich denke zwar, dass jeder, der in eine höhere Machtposition kommt, eine narzisstische Ader haben muss, aber bei den beiden war es wohl besonders stark ausgeprägt. Und dann haben wir ja noch Fidel Castro, der ein Selbstbewusstsein vor sich herträgt, mit dem er von den dreien es am ehesten auf einen Atomkrieg hätte ankommen lassen.
Greiner erklärt aber auch, dass die Welt nicht so sehr am Abgrund stand, wie es manche Historiker oder Journalisten geschrieben haben. Das Kräftegleichgewicht zwischen den USA und der Sowjetunion hätte sich durch Atomwaffen auf Kuba kein bisschen verschoben. Die USA waren, was es an militärischer Macht angeht, der Sowjetunion immer turmhoch überlegen. Atomwaffen wären nur reines Drohpotenzial. Allerdings hätte Chruschtschow tatsächlich ein kleines Ass im Ärmel gehabt. Mit Atomwaffen so nah an den USA hätte er stärkeren Druck aufbauen können, sollten die Vereinigten Staaten verstärkt in Südamerika intervenieren, was sie ja auch taten.
Was die US-Seite auch erfolgreich verkaufen konnte, war, dass sie vollkommen überrascht von den Atomwaffen auf Kuba gewesen seien. Dem war mitnichten so. Schon bevor überhaupt die ersten Raketen Kuba erreichten, wurden bereits Szenarien durchgespielt, wie man reagieren sollte, wenn es diese Atomraketen tatsächlich auf Kuba gibt. Und nur am Rande: Die Atomwaffen auf Kuba waren zu keiner Zeit einsatzbereit gewesen.
Die 13 Tage vom 16. bis 28. Oktober sind dann das Kernstück des Buches. Welche Entscheidungen wurden getroffen, wer hat mit wem geredet. Das Buch wimmelt von Namen und Ereignissen. In sehr komprimierter Form bringt, was Kennedy und seine Geheimdienste getan haben, wie Chruschtschow und wie Castro in diesen Tagen gehandelt haben. Das war eine Zeit, in denen nicht auch peinliche Fehler passiert sind. Etwa, dass die USA die Sowjetunion davor warnen wollte, dass sie gegen ihre U-Boote kleinkalibrige Unterwasserbomben einsetzen werde. Das Pentagon setzte das sowjetische Marineministerium darüber in Kenntnis. Die Info wurde aber nicht weitergereicht. Es dauerte auch länger, bis Chruschtschow von dem Blockadering erfuhr. Aber auch auf anderer Seite war die Kommunikation schwierig. So schickte Chruschtschow einen Brief in drei Teilen in Richtung USA. Der musste sowieso erstmal übersetzt werden. Und der dritte Teil – der wichtigste – kam erst nach Stunden an.
Also ein paar hitzige Tage, in denen viel schiefging und drei Herrscher ihr Ego kaum in Zaum halten konnten. Aber aus der Kuba-Krise haben beide Großmächte ihre Schlüsse gezogen. So wurde im Jahr darauf der „heiße Draht“ eingerichtet. Eine Direktverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml.
Zum schnellen Einlesen ist – wie bei der Beckschen Reihe Wissen üblich ist – das Buch wirklich hervorragend geeignet. Und um auf meine Frage ganz am Anfang zurückzukommen: gibt das Buch einem Ratschläge an die Hand, um gegen Putin-Trolle zu argumentieren? Ich finde es ehrlich gesagt schwierig. Die Materie ist noch komplexer als ich vermutet habe. Und Greiner konzentriert sich auch nur auf diese Zeit im Jahr 1962 und seiner Vorgeschichte. In der 2023 erschienenen dritten Auflage, die ich gelesen habe, zieht er keine Parallelen zur Gegenwart.
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