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Liebe Freunde Osteuropas! Der Euromaidan 2013/14 war ein wichtiges Ereignis für die Ukraine. Genau in diese Zeit siedelt die Autorin Olena Sachartschenko ihren Roman „Kämpferinnen“ an. Und schafft so viel mehr, als uns nur die Ereignisse literarisch näherzubringen.

Hauptfigur des Romans in Katja. Es ist Februar 2014. Seit Monaten schon wird auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kyjiw protestiert. Eigentlich will Katja nur ihren Sohn Danylo von der Schule abholen, gerät aber dann mitten ins Kampfgetümmel. Auf der Suche nach ihrem Sohn geht es für Katja und ihre Freundin Witka runter in die Tunnel und Kanäle, in der einige der Protestierenden Schutz suchen, aber auch dort droht Gefahr durch Polizisten.

Sachartschenko ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Buch gelungen. Einerseits bringt sie uns ganz nah ran an die Tage und Monate des Euromaidan. Wie er ablief, wie die Menschen ihn vor Ort erlebt haben, was sie über ihn gedacht haben. Aber auch von früheren Revolutionen, wie der aus dem Jahr 2004. „Diese Orange Revolution, diese Karnevalsstimmung in der Stadt, dieses Glück, der Schnee, die feuchten Hände, die vom Schnee durchweichten Jacken, diese Menschenmassen, die ständig irgendwohin unterwegs waren. Ich aß den ganzen Tag nichts, wurde nass im Schnee, fror, spürte aber nichts außer einem allgemeinen Hochgefühl“, beschreibt Katja die Ereignisse damals.

Aber man taucht auch in die Vergangenheit der Hauptfigur ein und so in die Vergangenheit der Ukraine. So startet Katja als Studentin ihr selbstständiges Leben in einem eher runtergekommenen Viertel am Rande Kyjiws. „Alle, die nach Kyjiw ziehen, um dort zu wohnen und zu arbeiten, erleben diese Enttäuschung: Man kommt in die Hauptstadt, landet aber in einem Randbezirk.“ Man findet sich „in einer heruntergekommenen postsowjetischen Realität wieder“. So erhält man einen guten Eindruck, in was für einer Welt ein junger Ukrainer bzw. eine junge Ukrainerin nach dem Untergang der Sowjetunion aufgewachsen ist. Aber auch, wie es als Frau in einer damals von Männern dominierten Arbeitswelt im Bereich der IT war.

Zusätzlich verknüpft Sachartschenko schön die Vergangenheit mit der Gegenwart, wenn es um einen angeblichen Suizid ihres Freundes Askold geht. Und geradezu mythisch wird es dann noch bezüglich einer Pauke. Der Legende nach habe sie im Kampf der Kosaken gegen Zar Peter I. zum Sieg verholfen und ist seit langem verschwunden. Und Katja hat mit dieser mehr zu tun, als man zu Beginn denken mag.

Selbst jemanden wie mich, der sich ja sehr intensiv mit der Ukraine beschäftigt, motiviert es, das Buch gleich noch mehrere Male zu lesen, um wirklich alles zu erfassen. Ein wirklich vielschichtiger Roman, der übrigens von Jutta Lindekugel hervorragend ins Deutsche übersetzt wurde. Die Übersetzer werden ja generell zu selten für ihre Arbeit gelobt.

Also alles in allem ein Roman, der sich gut liest, der einem die Welt rund um den Maidan, aber auch die ukrainische Geschichte näherbringt, mit einer Prise Mystizismus. Absolut lesenswert!

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