
Liebe Freunde Osteuropas! „Was wird aus Russland?“, fragt sich die Journalistin Sabine Adler in ihrem neuesten Werk. Und liefert damit ein facettenreiches, gut recherchiertes und für mich auch an einigen Stellen überraschendes Buch. Meine Rezension:
Es ist ja meistens zum Verzweifeln. Putin führt seit zwei Jahren seinen Krieg gegen die Ukraine und sein Volk muckt kaum auf. Welche Zukunft hat dieses Land überhaupt? Wie sieht es überhaupt aktuell aus? Und wer wird nach Putin die Zügel in der Hand halten? Wird es je wieder ein Aufeinander zugehen zwischen Ukrainern und Russen geben?
All diese Fragen und noch viele weitere beantwortet Adler in ihrem Buch. Ich gebe zu, nach den ersten knapp 60 Seiten war ich erst etwas enttäuscht. Die Journalistin erzählt davon, wie die Russen den Krieg sehen, sie erzählt den Prigoschin-Aufstand nach. Erstmal nix Neues für mich.
Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn das gut 320-Netto-Seiten-Buch wird dann noch so gut. Es werden darin Aspekte und Orte behandelt, die bei mir noch weiße Flecken auf meiner inneren osteuropäischen Landkarte waren. Etwa widmet Adler sich ausführlicher dem Kontinent Afrika, was die Wagner-Truppen und Putin dort alles trieben. Mantraartig wiederholt die Propaganda, der Westen/die USA hätten 2014 einen Regimechange erzwungen. Aber wusstet ihr, dass Russland sich in Wahlen von 15 afrikanischen Ländern nachweisbar eingemischt hat? Und in 15 Ländern auf dem Kontinent seit 2018 gezielt Desinformation verbreitet?
Adler wirft auch einen genaueren Blick auf die Randbezirke der Russländischen Föderation. Kalmückien, Burjatien, Jakutien, Tatarstan. Alles sogenannte Föderationssubjekte Russlands, von denen man viel zu selten liest. Dabei haben sie einen besonders hohen Blutzoll für Putins Krieg zu zahlen. Denn Armut und Perspektivlosigkeit treibt die Menschen in den Militärdienst. Adler wirft einen genaueren Blick auf diese Regionen, wie es um sie in Russlands Krieg gegen die Ukraine steht. Wie wehrhaft sind sie? Wie stark ist der Drang, sich von Moskau loszusagen?
Zum Schluss bleibt nur zu sagen: Hier schreibt eine wahre Kennerin Russlands: Informativ, hintergründig und klar im Benennen dessen, was ist. Und was soll nun aus Russland eigentlich werden? Das ist natürlich noch offen. Damit Russland eine Chance auf eine bessere, menschlichere Gesellschaft und Politik hat, muss Putin den Krieg verlieren, das wäre – so Adler – sein politisches Ende. Dass es nach Putin automatisch besser wird, ist natürlich auch nicht gesagt. Adler zitiert mehrfach den Politikwissenschaftler Andrej Piontkowski, der nach Putin erstmal einen Kampf der Eliten um die Kuchenstücke der Macht prophezeit.
Ein Aspekt in dem Buch sind auch die Beziehungen zwischen den Russen und Ukrainern. Diese sind natürlich zunichte. Und wie es weitergeht, ist auch noch lange nicht sicher. Ein wichtiger Punkt dabei: Den Russen muss ihre Schuld bewusst werden. Nur dann, und nur dann ist überhaupt eine Annäherung möglich. Doch die Hoffnung darauf ist kaum vorhanden.
Bei Adlers Buch habe ich mir bei vielen Kapiteln gedacht: „Also zu dem Thema kann man gleich ein ganzes Buch schreiben.“ Im August 2022 ist ihr Buch „Die Ukraine und wir“ erschienen, jetzt kürzlich im Februar 2024 „Was wird aus Russland?“. Ich hoffe, Adler arbeitet bereits am nächsten Buch und wir können uns in anderthalb oder zwei Jahren auf ein weiteres freuen.
Hinterlasse einen Kommentar