
Liebe Freunde Osteuropas! Die deutsch-amerikanische Autorin Nora Krug lässt uns in ihrem illustrierten Buch „Im Krieg“ am Schicksal einer Ukrainerin und eines Russen während des ersten Kriegsjahres in der Ukraine teilhaben. Kritik ist angebracht, aber… Meine Rezension:
Die Fragen, die dieses Buch aufwirft, liegen auf der Hand. Eine Ukrainerin und ein Russe erzählen ein Jahr aus ihren Leben. 52 Wochen ab dem 24. Februar 2022. Doch kann man das Leid der Einen mit dem Leid des Anderen gleichsetzen? Nora Krug ist sich durchaus bewusst, welche Reaktionen ihr Buch hervorrufen wird. In ihrem Vorwort schreibt sie, dass sie russische und ukrainischen Erfahrungen nicht gleichsetzen will.
Und doch tut sie das doch ein wenig. Das Buch ist in wöchentliche Kapitel eingeteilt. Jede Woche erzählen die ukrainische Journalistin K. und der russische Künstler D. von ihrem Leben. Zusätzlich illustriert von Krug. Da auf der einen Seite die Erfahrungen der Ukrainerin und auf der anderen die des Russen stehen, wird doch eine wenig eine Gleichsetzung suggeriert. Das mutmaßt manchmal etwas seltsam an, wenn die ukrainische Journalistin ihre Erlebnisse der Woche 20 mit den Gedanken an eine Frau abschließt, die bei einem Raketeneinschlag in Winnyzja schwer verletzt wurde und deren Tochter den Angriff nicht überlebt hat. Und auf der Folgeseite der Russe mit den Gedanken beginnt, er führe nun nach seiner Rückkehr aus Lettland nach St. Petersburg wieder ein normales Leben.
Wenn man Krug aber den Vorwurf machen würde, sie stelle das Leid der Ukrainer und der Russen unkommentiert einfach so gegenüber, würde das dem Buch nicht gerecht werden. Denn inhaltlich ist daran nichts auszusetzen. Es gibt authentische Einblicke in die Leben zweier Welten. Ich habe sowohl mit der Einen als auch mit dem Anderen Mitleid und kann bei beiden ihren Schmerz sehr gut nachvollziehen. Zur Info: Die beiden Personen des Buches kennen sich nicht. Sie hatten nur Kontakt zur Autorin.
Vielleicht noch etwas mehr zu den Biografien der beiden: Die Ukrainerin K. ist wie erwähnt Journalistin. Die ist auch immer wieder an der Front, um dort zu berichten. Ihre Söhne bringt sie nach Kopenhagen. Immer wieder kann sie sie besuchen, doch es schmerzt sie sehr, sie oft nur per Telefon aus der Ukraine zu erreichen. Auch der Russe leidet. Er hat Frau und ein Kind. Immer wieder hält er sich in anderen Ländern auf. In der Türkei, in Lettland, Finnland und Frankreich. Petersburg ist für ihn seine Heimat, die er nicht verlassen will und manchmal doch muss. Er verfolgt, was in der Ukraine passiert, sieht Putin als Verbrecher. Ihn ärgert es, wenn in den Schulen der Buchstabe Z aufgehängt wird und denkt darüber nach, ob es nicht besser für seine Kinder ist, nicht in Russland aufzuwachsen. Als Russe fühlt er sich schuldig, lehnt aber eine Kollektivschuld der Russen ab. Das würde die Menschen davon abhalten, sich mit ihrer persönlichen Schuld auseinanderzusetzen.
Die Stärken des Buches sind klar. Die Autorin lässt uns durch die Tagebucheinträge der beiden direkt an ihrem und seinem Handeln teilhaben. Wir erleben gute und schlechte Tage. Tage, an denen die Verzweiflung groß ist, und Tage, an denen beide so etwas wie Glück und Fröhlichkeit empfinden. Wie das Leben nun mal ist. Auch im Krieg.
Wahrscheinlich muss ich noch etwas zu den Illustrationen sagen. Es ist das erste Mal, dass ich ein illustriertes Buch gelesen habe. Am Anfang fand ich sie störend, da ich mir die Welt, in die ich eintauche, in der Regel selbst imaginiere und mir die Autorin das quasi „wegnimmt“. Doch der Stil gefällt mir, auch wenn er auf den ersten Blick etwas kindlich wirkt.
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