Liebe Freunde Osteuropas! Deutschsprachige Bücher, die uns die ukrainische Literatur näherbringen, sind rar gesät. Deshalb habe ich mich sehr auf „Mit spitzer Feder“ von Tetjana Trofymenko gefreut. Und ich muss sagen: Das Buch ist wirklich sehr gelungen. Meine Rezension:

Was macht die ukrainische Literatur eigentlich aus? Wenn ich mir „Mit spitzer Feder: Was Sie schon immer über die ukrainische Literatur wissen wollten“ der Literaturwissenschaftlerin Tetjana Trofymenko durchlese, entsteht der Eindruck, dass sie sich von der deutschen gar nicht so sehr unterscheidet. Der Büchermarkt ist vielfältig. Es erscheinen Romane und Lyrik, Krimis, Liebesschmonzetten, Bücher von Menschen, die meinen zum großen Schriftsteller geboren zu sein und Werke, die nur den Einheitsbrei wiedergeben, wie man ihn in ach so vielen Büchern ja schon vorher gelesen hat.

Die Frau muss wohl eine besondere Stellung in der ukrainischen Literatur haben. Denn die Autorin lässt uns wissen, dass die „zeitgenössische ukrainische Literatur […] in den 1990er und frühen 2000er Jahren zweifellos eine feministische Revolution durchgemacht“ habe. Auch wenn da viele überwunden geglaubte Klischees über das vermeintlich schwache Geschlecht sich in der heutigen Literatur dann doch vorsetzen.

Das Kernstück des Buches sind die 39 Roman- und sieben Lyrikrezensionen. Ich hatte ja zuerst durchaus meine Zweifel, ob es wirklich interessant sein kann, dutzende kurze Rezensionen zu lesen, über Werke und AutorInnen, von denen ich in dem Buch das erste Mal lese. Aber ich muss sagen, die Kurzporträts der AutorInnen sind locker geschrieben, immer mit einer persönlichen Note Trofymenkos sowie offen und ehrlich. Als Literaturwissenschaftlerin, die sie ja ist, ging ich wie selbstverständlich davon aus, dass sich alle je in der Ukraine erschienenen Bücher – zumindest Titel, AutorIn und grober Inhalt – in ihrem Kopf befinden.

Und die Bücher, die sie rezensiert, sind thematisch und dem Genre nach breit gefächtert und sollten für jeden Geschmack etwas bereithalten. Da ist es dann schon sehr schade, dass viele der Werke nicht ins Englisch und noch weniger in Deutsch übersetzt wurden.

Einen kleinen Spaß hat sich die Autorin erlaubt, wenn sie am Anfang des Buches einige Autoren genauer vorstellt, ohne uns den Namen oder konkrete Werke zu verraten. Das lädt dann selbst zum Knobeln ein, sollte man sich denn in der ukrainischen Literaturszene ein wenig auskennen. In „Der lebende Klassiker“ tippe ich ja auf Serhii Zhadan. Bei den anderen: Keine Ahnung.

Alles in allem hält das Buch, was es laut dem Klappentext – oder Waschzettel, wie sich die Autorin ausdrückt – verspricht. Es ist „pointiert, scharfsinnig und mit Esprit“ geschrieben. Das Buch gibt einen schönen Einblick in die ukrainische Literaturszene, was für Meisterwerke dort erscheinen und die ein oder andere Gurke. Und immer lässt uns Trofymenko auch etwas Privates über den Autor bzw. die Autorin wissen. Wer schon immer mal tiefer in die ukrainische Literatur eintauchen wollte, der ist bei dem Buch an der richtigen Adresse.

Ein kleiner Hinweis noch: Manche Bücher, die in „Mit spitzer Feder“ rezensiert werden, sind auf Deutsch bzw. Englisch erschienen, aber nicht immer unter dem Namen, der in dem Buch genannt wird. Dort steht immer die wortwörtliche Übersetzung des ukrainischen Titels. Hier eine kleine Serive-Liste für euch. Erst nenne ich den Titel aus Trofymenkos Buch, dann den deutschen/englischen Titel, wenn er anders lautet. Wenn nur ein Titel dort steht, ist der echte Titel dem im Buch gleich. Keine Gewähr auf Vollständigkeit.

Maria Matios: Kaum je kommt es anders/ Hardly Ever Otherwise (bislang nur auf Englisch erschienen)

  • Tanja Maljartschuk: Vergessenheit/ Blauwal der Erinnerung
  • Tanja Maljartschuk: Tierdichtungen/ Von Hasen und anderen Europäern
  • Maria Matios: Marienschuhe/ Mitternachtsblüte
  • Natalka Sniadanko: Frau Müller hat nicht die Absicht, mehr zu bezahlen
  • Kateryna Babkina: Sonja/ Heute fahre ich nach Morgen
  • Jurij Wynnytschuk: Todestango/ Im Schatten der Mohnblüte
  • Serhij Zhadan: Woroschilowgrad/ Die Erfindung des Jazz im Donbass
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