
Liebe Freunde Osteuropas! Marina Owsjannikowa ist durch ihre Plakataktion im russischen Staatsfernsehen weltbekannt geworden. Im Februar 2023 hat sich ein Buch darüber herausgebracht. Lohnt sich die Lektüre? Ihr erfahrt es in meiner Rezension:
In ihrem gut 210 Seiten langen Buch mit dem Titel „Zwischen Gut und Böse – Wie ich mich endlich der Kreml-Propaganda entgegenstellte“ steigt sie ein mit eben jenem 14. März 2022, in der sie ihre Plakat im russischen Fernsehen hochhielt. Sie beschreibt, was direkt danach passierte und die kommenden Wochen und Monate. Wie sie verhört wurde, ihr 17-jähriger Sohn sich von ihr abwendete, ihr Ex-Mann versucht, ihr das Sorgerecht der Kinder zu entziehen (sie hat noch eine 11-jährige Tochter). Wie sie bei Springer ein Arbeitsangebot erhält, nach Moldau und in die Ukraine reist, um dort als Journalistin zu arbeiten, um über die Verbrechen in Butscha, Irpin etc. zu berichten, um wie sie schreibt, den Russen die Wahrheit zu erzählen.
Ich muss zugeben: Bevor ich das Buch gelesen habe, war ich sehr skeptisch. Ist das jetzt eine Frau, die nur ihren 15-Minuten-Fame nutzen will, um mit diesem Buch Geld zu verdienen. Lohnt sich das Buch zu lesen? Ich muss sagen: Ich bin etwas zwiegespalten. Interessant fand ich die Stellen, an der sie von ihrer Arbeit bei Channel One spricht, wie quasi in der Propaganda-Maschinerie gearbeitet wird. Und auch über ihr persönliches Leben erfährt man mehr. Etwa, dass sie mit 13 Jahren mit ihrer Mutter in die tschetschenische Hauptstadt Grosny gezogen ist und im ersten Tschetschenienkrieg ihre Wohnung zerbombt wurde und somit alles verloren hatten und fliehen mussten.
Denn jetzt zum Aber-Teil: Abgesehen von ein paar Rückblenden beschreibt sie größtenteils, was nach ihrer Aktion alles passiert. Es ist quasi nahezu nur ein Erlebnisbericht, nicht besonders ausgefeilt geschrieben, aber ok. Doch auch, wenn sie beschreibt, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert wird (der Hass im Netz, sowohl von russischer als auch ukrainischer Seite), die russische Staatsmacht, die sie drangsaliert, ihre Putin-hörige Mutter, die sie verdammt, ihr Ex-Mann, der ihr ihre Kinder wegnehmen will. All das ist natürlich nicht schön. Nur fällt es mir trotz allem doch etwas schwer, Mitleid mit ihr zu haben. Zu wenig kommt vor, warum sie so lange in dieser Propaganda mitgemacht hat.
So, wie sie in ihrem Buch manchmal Russen beschreibt, will man tatsächlich doch noch an das Gute in der russischen Bevölkerung glauben. Doch dafür sehe ich zu oft Bilder von Russen, die Wagner-Plakate hochhalten, Prigoschin in Rostow wie einen Volkshelden empfangen und Russen im Urlaub am Strand Ukrainer beleidigen.
So wirklich empfehlen kann ich das Buch nicht wirklich. Wer sich für die Person Owsjannikowa interessiert, kann es sich durchaus mal besorgen. Wer mehr über Russland und die Ukraine, den Krieg und/oder die Geschichte der Länder erfahren will, da gibt es bessere Alternativen.
Hinterlasse einen Kommentar