Liebe Freunde Osteuropas, heute möchte ich euch wieder ein sehr interessantes Buch vorstellen. Es geht um „Tolstois Bart und Tschechows Schuhe – Streifzüge durch die russische Literatur“ von Wladimir Kaminer. Meine Rezension:

Kaminer ist ein russischer Autor, der 1989 erst in die DDR emigriert ist und bis heute in Berlin lebt. Er hat schon eine Vielzahl an Büchern geschrieben, seine verkauften Werke gehen in die Millionen. Schon seit Buch „Goodbye Moskau“ fand ich super. Heute soll es um eines seiner neuesten Werke gehen.

Wer mal mehr über die bekanntesten russischen Schriftsteller, ihre Biographie und ihre Werke erfahren will, ohne sich deshalb durch die dicken Schinken wie „Krieg und Frieden“ oder „Die Brüder Karamasov“ durchkämpfen zu müssen, kann ich wärmstens das Buch von Kaminer empfehlen. In seinem Buch stellt er in sieben Kapiteln Fjodor Dostojewski, Leo Tolstoi, Anton Tschechow, Michail Bulgakow, Wladimir Majakowski, Vladimir Nabokov und Daniil Charms vor.

Das Biografische ist wie von ihm gewohnt sehr humorvoll geschrieben. Er stellt jedes Mal vor, was für ein Mensch das eigentlich war, wie er gelebt hat und natürlich die wichtigsten Werke mit kurzer Inhaltsangabe. Auch seine eigene Biografie fehlt dabei nicht. So erfährt man, wie er in der Schulzeit eine begeisterte Dostojewski-Verehrerin als Lehrerin hatte, die die Schüler dazu aufforderte, die Szenen des Buches nachzuspielen.

Aber man erfährt auch viel über die Zeit, in der die Menschen lebten. Etwa, dass Nabokov in die USA emigrieren musste, und dort später seine Werke direkt auf Englisch schrieb und auch genaue Vorgaben erhielt, was der US-Bürger so besonders liebt. Es war nicht immer unbedingt seins, aber der Markt musste bedient werden. Vor allem, wenn man auch Geld verdienen muss.

Ähnlich ging es auch Tolstoi, der gerne auch philosophische Schriften unters Volk bringen wollte, doch „sie wollten Liebes- und Gewaltszenen und fanden gerade die blutrünstigen Beschreibungen der Kriegsschlachten und die schwülstigen Beziehungsdramen besonders gelungen“, schreibt Kaminer.

Man erfährt also auch viel über das Leid der Autoren und ihrer Lieben, mit was sie sich quälten. Tolstoi etwa brachte seine Frau regelmäßig in Rage, weil durch seine Bekanntheit viele Träumer und andere seltsame Menschen aus aller Welt zu ihm auf den Hof kamen. Das liest sich dann so: „Wagte sie [Tolstois Frau] sich aus dem Haus, zeigte sich ihren Augen folgendes Bild: Der Graf [Tolstoi] predigte barfuß den Bauern im Garten, sie könnten alles mitnehmen, was sie wollten. Unter dem Apfelbaum meditierte der Tibeter.

In der Sommerküche lag der nackte Schwede auf dem Boden und kaute seine Körner. Und als wäre das Ganze nicht horrorhaft genug, irrte auch noch der kastrierte Rumäne durch den Garten, der nicht wusste, was er zu Hause erzählen sollte.“

Mit besonderem Interesse habe ich das Kapitel über Bulgakow gelesen. Habe ich doch erst im Buch von Babtschenko gelernt, dass man diesen Schriftsteller, im Bezug auf den aktuellen Krieg gegen die Ukraine und Russlands Imperialismusambitionen sehr kritisch sehen sollte. Doch das liest sich auf Kaminers Kapitel über Bulgakow nicht heraus (das Buch erschien 2019). Bulgakow wird beschrieben als ein Mensch, der gerne schreiben möchte, dessen Büchermanuskripte selbst Stalin gefallen, doch nicht gedruckt werden dürfen. Sein bekanntestes Werk „Meister und Margarita“ ist erst knapp 30 Jahre nach seinem Tod erschienen.

Insgesamt wie von Kaminer gewohnt, sehr beschwingt und lustig geschriebenes Buch. Wer mal in die russische Literatur reinschnuppern will, kann ich dieses Buch sehr empfehlen.

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