Liebe Freunde Osteuropas! Die russische Schriftstellerin Natalja Kljutscharjowa hat ein sehr einfühlsames und intimes Tagebuch geschrieben, in dem sie das erste Kriegsjahr des russischen Vernichtungskriegs gegen die Ukraine von Russland aus beschreibt. Meine Rezension:

In „Tagebuch vom Ende der Welt“ tauchen wir ein in die russische Welt. Wie ist es, den Krieg von Russland aus mitzubekommen? Wie ist es, in Russland zu leben, die Gleichgültigkeit der Menschen um einen rum? Wie entwickeln sich Beziehungen, jahrzehntelange Freundschaften, Arbeitskontakte? All das beschreibt Kljutscharjowa in ihrem gut 170-seitigem Buch.

Es ist das erste Buch seiner Art, das ich gelesen habe, in der einem der Alltag in Russland so nah gebracht wird. Der Krieg in der Ukraine steht dabei nicht unbedingt im Vordergrund, auch wenn er ständig präsent ist. Die Autorin erzählt viel von ihren persönlichen Erlebnissen, von ihren persönlichen Gefühlen, von Zerrissenheit, Hass, Angst, Hilflosigkeit.

Da ist etwa das Ehepaar, seit Jahrzehnten verheiratet, aber der große Krieg entzweit beide, doch sie leben weiterhin zusammen. Da ist eine Frau, die, als ihr Mann eingezogen wird, selbst ihren Job kündigt, weil sie die Gleichgültigkeit der Menschen auf der Arbeit zum Krieg nicht mehr erträgt. Doch warum erst jetzt? Warum erst, wenn ihr Mann eingezogen wird, und sie es quasi selbst betrifft?

Dieses Buch geht sprichwörtlich unter die Haut. Rüttelt einen auf, lässt einen direkt spüren, wie es ist, in Putins verrückter Welt, die er geschaffen hat, zu leben. Ja, ich habe auch immer mal wieder Hass auf „die Russen“, diesen verdammten Krieg, den der verrückte Diktator im Kreml angezettelt hat mit seinen willfährigen Lakaien.

Doch das Buch zeigt uns: Vergessen wir nicht die guten Russen. Ja, ich sage die guten Russen. Lest dieses Buch und geht ein Stück weit in den Schuhen dieser Frau. Erfahrt, wie es sich anfühlt, in dieser Welt zu leben da drüben.

Das Buch ist gespickt mit kurzen Anekdoten und kleinen Passagen über kleine Proteste, über Literatur und Theater, denn in dieser Welt ist die Autorin zu Hause. Ich will euch eigentlich nicht zu viel spoilern aus dem Buch.

Mich hat es so bewegt, wie es ein Buch schon länger nicht mehr geschafft hat. Es öffnet uns eine Welt, über die wir zu wenig wissen, und die doch so wichtig ist. Neben den ganzen Tagebüchern, die die Ukrainer:innen über den Kriegsalltag geschrieben haben, gehört dieses finde ich ebenfalls als wichtige Lektüre dazu.

Avatar von thomasleurs

Published by

Categories:

Hinterlasse einen Kommentar