Liebe Freunde Osteuropas! Der Krieg in der Ukraine hat eine Vielzahl an Neuerscheinungen hervorgebracht. Mitunter auch Bücher, die erstmal keinen direkten Bezug zum Thema haben. Dass das nach hinten losgehen kann, zeigt das neue Buch von Christian Hardinghaus. Meine Rezension:

Christian Harding ist Historiker und freier Journalist. Er hat sich unter anderem mit Büchern zum Thema Zweiter Weltkrieg und Romanen hervorgetan. Anfang Juni erschien sein neuestes Buch „Kriegspropaganda und Medienmanipulation – Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen“. In diesem Buch will Hardinghaus, wie es der Titel schon verrät, erklären, was Propaganda ist, wie sie funktioniert und gibt uns konkrete Beispiele. Ich werde die Rezension in zwei Teile splitten. Im ersten Teil stelle ich den allgemeinen Part vor, in dem es um Propaganda an sich. Am Ende widmet sich der Autor auch der Propaganda im Ukrainekrieg und der deutschen Berichterstattung, die er sehr kritisch sieht. Diesem Part werde ich mich in einem zweiten Teil widmen.

Als Erstes hier mal der Einstieg ins Buch: „Klima-Apokalypse, globaler Finanzkollaps und atomares Armageddon. Killerviren, Dauerlockdown und Blackout. Rien ne va plus – nichts geht mehr! Den in den letzten Jahren gezeichneten Endzeitszenarien scheinen wahrsten Sinne des Wortes keine Grenzen gesetzt zu sein.“ Der Autor steigt also gleich hoch ein.

In Kapitel 1 will Hardinghaus uns erstmal erklären, wie wir Propaganda erkennen. Denn: „Propaganda beschreibt die Manipulation der Massen durch Machthaber mittels Medien.“ Er warnt vor der Gefahr, die von Massenmedien generell ausgehe, wenn sie in falsche Hände gerät. Denn das eigentliche Ziel von Propaganda sei nicht die Vermittlung von Wahrheit, sondern die Indoktrination handlungsorientierter Motive. Viel konkreter wird es erstmal nicht.

In Kapitel 2 geht er mehr auf die Historie des Begriffs Propaganda ein. Ursprünglich aus der Marktbranche hat sich der Begriff mittlerweile gewandelt. Heute bedeutet er mehr der zielgerichtete Versuch, die Meinung oder öffentliche Sichtweisen zu formen. Schon hier deutet er Kritik an den deutschen Medien an. Auch wenn die Bevölkerung schützen wolle (Corona-Pandemie), dürfe man kritische Stimmen nicht unterdrücken. Denn sonst wandern die Menschen zu den alternativen Medien ab. Ohne es beim Namen zu nennen, kritisiert er auch die Sperrung der russischen Propagandasender. Man könne Propaganda nicht durch Zensur bekämpfen, „sondern nur durch schonungslose Offenlegung und ehrliche Aufklärung“. Auch das Kapitel ist mir etwas zu allgemein und schwammig geschrieben. Ich habe mich beim Lesen gefragt, an wen sich das Buch richtet. Querdenker? Reichsbürger?

In Kapitel 3 will uns Hardinghaus nun 75 Formen und Techniken von Propaganda vorstellen. Das Kapitel ist tatsächlich einigermaßen interessant, aber doch sehr trocken geschrieben. So beschreibt er etwa Name Calling (Abwerten mit Schimpfworten), Testimonials (ein Prominenter macht die Propaganda für mich), Plain Folks (man verkauft seine Ideen so, dass sie doch eigentlich dem Wohl aller dienen). So geht es dann weiter. Größtenteils bleibt er bei der Theorie. Interessanterweise, wenn er bei manchen Techniken konkrete Beispiele nennt, ist es oft die Corona-Impfpflicht. „Die Impfungen sind nebenwirkungsfrei.“, „Die Todeszahlen der neuen Virus-Mutanten sind so hoch, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen.“, „Jeder Einzelne muss sich impfen lassen, um die Freiheit aller wiederherzustellen.“ Er geht dabei so weit ins Detail, dass ich mich frage, wie ich mir diese Formen jetzt alle merken soll und dann Wochen später sage: Oh, ja. Das ist Propaganda. Das ist die Technik ‚Ad ignorantiam‘. Das habe ich bei Hardinghaus gelesen.

In Kapitel 4 geht es dann um konkrete Beispiele von Kriegspropaganda. Und zwar um den Ersten und Zweiten Weltkrieg, den Vietnamkrieg 1955-1975, der Zweite Golfkrieg 1990-1991, der Kosovo-Krieg 1999, der Irakkrieg 2003 und Syrien und Afghanistan. Das liest sich ganz interessant, übersteigt aber kaum das Niveau eines Wikipedia-Artikels. Und die meisten Infos kann man auch so ähnlich im Internet finden.

Insgesamt ist das Buch bis dahin recht enttäuschend. Die ersten beiden Kapitel sind mir so waschig geschrieben und mir fehlt eine klare Linie, worauf der Autor jetzt hinauswill. Dass er ausgerechnet mit der Corona-Pandemie als Beispiel für Propaganda daherkommt, verstehe ich nicht. Damit schränkt er sein Zielpublikum schon arg ein. Und bei den konkreten Beispielen von Kriegspropaganda. Das meiste wusste ich schon im Groben. Also in Kapitel 4 stehen eher so Nice-to-know-Fakten.

Das dicke Ende kommt aber ab Kapitel 5, in dem er sich der Propaganda im Ukrainekrieg widmet und nochmal ordentlich Medienschelte betreibt. Und sich am Ende selbst entlarvt. Aber dazu mehr im zweiten Teil.

Rezension Kriegspropaganda und Medienmanipulation – Teil 2

Liebe Freunde Osteuropas! Hier nun mein zweiter Teil über das Buch „Kriegspropaganda und Medienmanipulation – Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen“ von Christian Hardinghaus. Hier gehen wir mal genauer auf sein Kapitel zum Krieg in der Ukraine ein.

In Kapitel 5 „Propaganda im Ukrainekriege“ will uns Hardinghaus einmal erzählen, wie Russland Propaganda betreibt und die Ukraine. Und im Großen und Ganzen erfasst er alles soweit richtig, zumindest, was die russische Propaganda betrifft. Demnach sehe sich Russland mit einem antirussischen Informationskrieg konfrontiert und der Westen will Russland destabilisieren. Eine Gruppe ausgewählter Journalisten kommuniziere die Regierungsarbeite nach außen. Den Russen wird vorgegaukelt, es gebe US-Biolabore in der Ukraine, die Ukrainer sollen mittels russischer Propaganda gegen ihre Regierung aufgebracht werden. Der Westen soll gespalten werden etc. Insgesamt kann man sagen, Russland haut auf allen Kanälen Propaganda raus. Ich hätte mir in dem Kapitel vielleicht noch gewünscht, dass der Autor die Lügen noch etwas klarer benannt und verifiziert hätte. Vieles steht im Konjunktiv: Russland hätte, würde, solle… dabei ist doch jedem klar, dass das alles Bullshit ist.

Schwieriger wird es finde ich im Part zur ukrainischen Propaganda. Die Ukraine würde staatlich betriebene Propaganda betreiben, um Vertrauen und Sympathie auf der ganzen Welt zu erringen. Da es ohne westliche Hilfe nicht bestehen kann, würde das Land auf ausgefeilte Marketing- und PR-Konzepte von Werbeagenturen, die das eigene Digitalministerium beauftrage, setzen. Und im Zentrum dieser Propaganda steht Selenskyj als der kleine David, der es mit dem übermächtigen Goliath aufnehme. Neben Überzeugungsarbeit würde laut Hardinghaus die Ukraine auch manipulatorische Mittel einsetzen, um bei der Bevölkerung westlicher Staaten Gewissensbisse und Empörung zu erzeugen. Also bei mir reicht es schon, wenn ich sehe, was Russland anrichtet, um Empörung auszulösen. Dafür muss mich Selenskyj nicht manipulieren. Zudem müsse – so Hardinghaus – Selenskyj dafür sorgen, dass die Angst vor Russland und Putin beibehalten würde. In Deutschland würde vor allem der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk ukrainische Propaganda verbreiten. Im Prinzip schreibt Hardinghaus nichts Falsches, außer, dass er behauptet, Selenskyj habe bei den Oscars 2022 gesprochen. Das Kapitel erweckt aber nicht den Eindruck, dass sich die Ukraine gerade gegen einen völkerrechtswidrigen Krieg verteidigt.

Aber das ist noch steigerbar, und zwar in Kapitel 6, in dem der Autor den deutschen Medien mal die Leviten liest. Zum Einstieg hier mal der erste Satz: „Die Berichterstattung über den Ukrainekrieg in der westlichen und insbesondere in der deutschen Medienlandschaft kann man aus journalistischer und medienwissenschaftlicher [Sicht] nicht mehr nur als ungenügend oder lückenhaft bezeichnen, sondern sie muss schon als dilettantisch deklariert werden.“ Dilettantisch? Ernsthaft. Ok, wenn man die hervorragende Arbeit von Simone Brunner, Herr Schulz, Claudia Thaler, Reinhard Bingener, Markus Wehner, Gwendolyn Sasse, Marcus M. Keupp, Nico Lange, Claudia Mayor, Peter Althaus, Maxim Kireev, Ivan Ruslyannikov, Thomas Urban, Alice Bota, Enno Lenze, Paul Ronzheimer, Anastasia Magazova, Vassili Golod, Anna Zhukovets, Fabian Baumann, bert hoppe, Birger Schütz, Artur Weigandt, Ira Peter(?), Franziska Davies, Sabine Adler, Katrin Eigendorf, Olaf Kühl, Michael Thumann, Carlo Masala, Rebecca Harms, Rebecca Barth, Martin Schulze Wessel, Dmitrij Kapitelman, Matthias Wehowski, Martin Aust, Alexander Dubowy, Julian Röpcke, Jens Siegert, Demian von Osten, Denis Trubetzkoj, Ulrich Krökel, Marina Weisband, Thomas Dudek, Christina Hebel, Golineh Atai  und vielen weiteren außen vor lässt. Ja, dann könnte das vielleicht stimmen. Aber es ist auch echt anstrengend, sich bei den Experten zu informieren. Ok, Spaß beiseite.

Denn natürlich stellt Hardinghaus nicht einfach die Behauptung in den Raum. Nein, er kann es belegen. Und zwar mittels einer Studie der Otto Brenner Stiftung. Die hat 4300 journalistische Beiträge von FAZ, Süddeutsche, Bild, Spiegel, Zeit, ARD Tagesschau, ZDF Heute und RTL aktuell zum Krieg in der Ukraine analysiert. Zeitraum 31. Mai 2022 bis 31. Januar 2023. Und demnach kamen da insgesamt zu 48 % die SPD vor, dann kommen Grüne (23 %), CDU/CSU 17 %, AfD und Linke kaum. In 42 Prozent der Beiträge wurde die Sichtweise Deutschlands gezeigt, 28 % die ukrainische Sicht, 20 % die Sicht der Nachbarstaaten Russlands und Russlands selbst nur 10 %. Die Zahlen erläutert der Autor nicht weiter, aber es schwingt so mit, die Medien würden da eine bestimmte Partei bevorzugen. Man könnte jetzt anmerken, dass die Regierungsparteien unmittelbar mit Entscheidungen und Handlungen im Rahmen der Krisenbewältigung befasst sind und deshalb öfter zu Wort kommen als die Opposition. Genau dieser Satz steht auch in der Studie, in Hardinghaus Buch sucht man ihn vergebens. Dann übertreibe die Ukraine mit ihren Zahlen getöteter Russen – davon ist auszugehen, ist halt Krieg. Zudem muss Hardinghaus unbedingt nochmal betonen, dass die Ukraine vor Kriegsausbruch auf dem Demokratieindex auf Platz 95 stand, bei der Pressefreiheit auf Platz 106 ist und auf dem globalen Korruptionsindex auf Platz 122. Aber wenn man das Buch des Autors aufmerksam gelesen hat, kann man sagen: Ah, Hardinghaus wendet ihr das Propagandamittel „Ad-Hominem-Angriff“ an. Er will die Glaubwürdigkeit der Ukraine diskreditieren, um vom eigentlichen Problem abzulenken; nämlich, dass Russland einen Vernichtungskrieg gegen das Land führt.

So, das war jetzt ein sehr langer Thread. Ihr merkt es: Ich mag das Buch nicht. Hier und da hat es ganz interessante Informationen – also die Formen der Propaganda und die Beispiele aus dem 20. Jahrhundert sind ganz nett. Aber wirklich ein Gewinn ist das Buch nicht. Und für osteuropaaffine Menschen schon dreimal nicht.

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