Der russische Journalist und Kriegsreporter Arkadi Babtschenko ist wahrscheinlich den meisten nur dadurch bekannt (mich eingeschlossen), weil er im Mai 2018 seine Ermordung in Kyjiw vorgetäuscht hatte. Im September 2022 ist sein neuestes Buch „Im Rausch – Russlands Krieg“ erschienen. Meine Rezension:

Das Buch ist wirklich sehr zu empfehlen. Man erfährt viel über Babtschenko selber, über seine Arbeit und vor allem über Russland und Putin, den er ziemlich konsequent als Pisser bezeichnet. Das Buch hat zwei Teile. Im ersten stellt er kurz seine Familiengeschichte vor.

Danach gibt es seine Blog-Einträge von 2013 bis 2022 kurz vor dem großen Angriffskrieg. Und die haben es in sich. Selten habe ich so einen scharfzüngigen, sarkastisch und mitunter zynisch Schreibenden gelesen. Das Lesen macht dabei eine wahre Freude, auch wenn die Themen natürlich nicht erfreulich sind. So berichtet er im Kapitel „Ist da noch wer?“ über viele Nachrichten, die ihn erreichen, er solle helfen, die Brände am Baikalsee bekannter zu machen. Er als Journalist müsse das ja. Doch er kann nicht. Ist ausgebrannt.

Und hat auch nicht eben mal das Geld flüssig, um zum Baikalsee zu fliegen. Und dann zählt er Namen für Namen auf, Journalisten, Aktivisten, Waldschützer. Die könnten helfen. Aber nein, sie sind ermordet worden, ins Ausland geflohen, im Gefängnis, im Hausarrest… Dieses Kapitel zeigt auf erschreckende Weise, wie es um den Journalismus in Russland steht. Und das war 2015!

In einem anderen Kapitel erzählt er, wie er auf Einladung zu einer Propaganda-Talkshow ging. Die Moderatorin erklärte ihm, was er sagen solle. Etwas Patriotisches. Etwa, wie er einen Hund aus den Fluten gerettet hat. Babtschenko will das nicht. Dann schlägt sie weitere Themen vor, die Babtschenko alle ablehnt. Am Ende geht er wieder, ohne in der Sendung aufgetreten zu sein.

Oder das Kapitel „Russischer Infantilismus“. Aber da will ich nichts spoilern. Lest es selbst. Ich habe mich schiefgelacht und musste es immer wieder lesen. Hammer toll geschrieben, voller Sarkasmus und den Russen mal so richtig den Spiegel vorgehalten. Und es gibt noch weitere gute Kapitel zum Tag des Sieges und zur Aktion Bessmertny polk.

Im zweiten Teil geht es um die Invasion vom 24. Februar (macht etwa zwei Drittel des Buches aus). Er beschreibt die Invasion zum Teil Tag für Tag. Es sind seine Blockeinträge von den jeweiligen Tagen.  Man kriegt dort also nochmal gut zusammengefasst eine Vorstellung, wie der Angriffskrieg für Russland und die Ukraine von Februar bis etwa zum 9. Mai verlief. Ein wirklich sehr empfehlenswertes Buch!

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