
Der ukrainische Journalist Stanislaw Assjejew beschreibt in seinem 2021 erschienen Buch „Heller Weg – Geschichte eines Konzentrationslagers im Donbass 2017-2019“ seine Erlebnisse in dem Donezker Foltergefängnis „Isolation“. Ein erschütterndes Buch. Meine Rezension:
Lange habe ich mich vor der Lektüre gedrückt, da ich ja ahnte, was er dort erzählen wird. Trotzdem ist es wichtig, davon zu erfahren, was dort in Donezk los ist. Assjejew ist wegen einer Kleinigkeit ins Gefängnis gekommen, er hatte die „Volksrepublik Donezk“ in Anführungsstrichen geschrieben. In einer umfunktionierten Fabrikhalle lebt er nun insgesamt 28 Jahre in Gefängniszellen mit mehreren immer wieder wechselnden Mithäftlingen, darunter echte Schwerverbrecher, die schon Jahrzehnte hinter Gitter sind.
Immer wieder schreibt er seine Impressionen auf, später werden sie ihm wieder weggenommen. Deshalb lernt er die Texte zum Teil auswendig, um sie dann später aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren. Er berichtet von der Folter, die jeden Häftling trifft, von Vergewaltigungen der Frauen. Die Schreie sind auch in seiner Gefängniszelle zu hören, so dass das Einschlafen schwerfällt. Aber irgendwann gewöhnt man sich daran, und es kümmert einen nicht mehr. Ein neu hinzugekommener Häftling war dann sehr erstaunt, wie Assjejew so ruhig bleiben konnte. In einem Kapitel beschreibt Assjejew Depressionen und Suizidgedanken, die jeden Häftling treffen. Denn es geht den Wärtern – vor allem der Leiter mit dem Namen Palytsch wird als besonders sadistisch beschrieben – nicht nur darum, den Gefangenen physische Gewalt anzutun, sondern auch psychische.
So dürfen die Gefangenen nicht aus dem Fenster sehen (das ohnehin mit weißer Farbe bestrichen ist und somit keinen Blick nach draußen erlaubt), sie dürfen nicht auf die „Futterlucke“, ein Fensterchen an der Tür, durch das das Essen gereicht wird, sehen, die dürfen nicht auf die Videokameras sehen, sie dürfen sich sogar nicht unterhalten. Das sehen die Wärter über die Kameras. Reden sie doch miteinander, kommen die Wärter und verprügeln die Gefangenen. Das Ausharren in der Zelle mit kaum Essen und Trinken und keiner Betätigung führt dazu, dass die Gefangenen lieber die harte Arbeit draußen vorziehen. Damit sind die wenigstens an der frischen Luft.
Assjejew beschreibt auch seine Gespräche mit den Gefangenen. Im Gefängnis gelten die Ponjatija, Verhaltensregeln unter Kriminellen. Wirklich anfreunden wird sich Assjejew mit niemandem. Das liegt auch daran, da die Wärter die Gefangenen bewusst immer wieder in andere Zellen stecken, damit sich keine Gruppen bilden können, die den Wärtern gefährlich werden können. Einem Mithäftling gelingt die Flucht. Assjejew ist der Einzige, dem er davon erzählt, was den Autor sehr wütend macht. Denn wenn er flieht, wird er befragt und gefoltert werden. So kommt es dann auch.
Am Ende des Buches beschreibt Assjejew seine ersten Monate in Freiheit. Der Tipp eines anderen Gefangenen an ihn war, nicht sofort wieder unter Menschen zu gehen. Und er behielt recht: Wenn man jahrelang in einem kleinen Zellenraum sitzt, nie das Tageslicht sieht, nie mit jemandem spricht, ist für einen Menschen die reale Welt draußen erstmal zu viel. Assjejew berichtet auch von Rachegedanken, die er gegenüber den Wärtern auch noch nach seiner Freilassung hegt.
Mit diesem Buch hat Assjejew ein erschütterndes Werk über die Abgründe der „Russki mir“ in der Ostukraine vorgelegt. Es ist keine einfache Lektüre, aber wirklich wichtig, um zu verstehen, was es bedeutet, unter russischer Okkupation zu leben.
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