Liebe Freunde Osteuropas! Was war da eigentlich in den Jugoslawienkriegen in den 1990ern los? Und wie hat der Staat überhaupt so lange zusammengehalten werden können? All das und mehr erfahrt ihr in „Geschichte Jugoslawiens“ von Marie-Janine Calic. Meine Rezension:

Marie-Janine Calic ist Professorin für Geschichte Ost- und Südosteuropas an der LMU in München und gehört zu den besten ExpertInnen im deutschsprachigen Raum, wenn es um Südosteuropa geht. Vor drei Jahren erschien ihr Buch „Geschichte Jugoslawiens“, das – wie es hinten auf dem Klappentext heißt – die erste deutsche Gesamtdarstellung zur Geschichte Jugoslawiens ist.

Zu Beginn taucht sie mit uns in die Zeit um das Jahr 1900 ein. An einen einheitlichen jugoslawischen Staat war noch nicht zu denken. Wenn man auf dem Land die Menschen fragte, wohin sie sich zugehörig fühlen, sagten damals noch die wenigsten, sie seien etwa „Kroaten“, „Serben“ oder Slowenen. In der bäuerlich geprägten Region sahen sich die Menschen zuerst mal ihrem Dorf zugehörig. Ein einheitlicher Staat war nur in den Gedanken weniger Intellektueller und Philosophen.

Das Buch ist ein mit Fakten, Statistiken und Zahlen voll gespicktes Werk, was einem bei gerade „nur“ 340-Netto-Seiten einem das Gefühl gibt, als hätte man eine ganze Enzyklopädie gelesen. Aber es lohnt sich. Calic beschreibt faktenreich und detailliert die Geschichte die (Vor-)Geschichte Jugoslawiens nach, wenn den ersten Ideen um 1900, die Wirren zwischen den beiden Weltkriegen, die Gründung des Staates nach dem Zweiten Weltkrieg, das „Wirtschaftswunder“ der 1960 Jahre, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Jahrzehnten danach, Titos Rolle in dem Staat, über seinen Tot und was nach dem Auseinanderfallen aus den einzelnen Republiken wurde bis zu den Jugoslawienkriegen und in die Jetzt-Zeit.

Calic gelingt es dabei, objektiv und sachlich die geschichtlichen Ereignisse und Zusammenhänge zu erläutern. Obwohl es mir jetzt auch noch schwerfallen würde, auf die Frage eine klare Antwort zu geben: Was war denn da jetzt los. Nicht, weil Calic es nicht gut erklärt, sondern weil es so viele Informationen auf einmal sind. Es würde sich definitiv lohnen, das Buch mehrmals zu lesen oder sich einzelne Kapitel nochmal genauer durchzulesen.

Wer Interesse an der Geschichte Jugoslawiens hat, dem ist das Buch wirklich zu empfehlen. Hier und da musste ich mich doch etwas zusammenreißen beim Lesen, weil es doch sehr detailliert ist und recht akademisch geschrieben ist. Aber nach spätestens 100 Seiten ist man drin im Schreibstil. Und wem das Buch vielleicht etwas too much ist. Von Calic erscheint nächsten Monat „Geschichte des Balkans“ in der Beck’schen Reihe. Mit 128 Seiten ist es wesentlich kompakter und sicher schneller zu lesen. Das lohnt sich sicher. Oder ihr wartet erstmal meine Rezension ab. Die wird da bestimmt auch kommen.

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