Liebe Freunde Osteuropas! Ich habe mal wieder ein fantastisches Buch gelesen. Es geht um den Roman „Eine Formalie in Kiew“ von Dmitrij Kapitelman. Eine Rezension:

In dem 176 Seiten langen Roman, der im Januar 2021 erschienen ist, beschreibt Kapitelman seine eigene Biografie. Mit sieben Jahren mit den Eltern nach Deutschland gekommen, ist er nun 32 und will die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen. Doch dafür benötigt er ein Dokument aus Kiew. Dies führt in auf eine Reise in seine Geburtsstadt, in alte Erinnerungen, zu seinem Freund aus Kindertagen und weitere Konfrontationen mit seinen Eltern, mit denen er schon lange über Kreuz steht.

Das Buch ist amüsant, leicht beschwingt, aber auch mal tragisch und sehr ernst geschrieben. Es gibt einem Einblick in mehrere Ebenen. Da ist einmal die persönliche Ebene. Dima, die Hauptfigur des Romans, hat eine komplizierte Beziehung zu seinen Eltern. Die ersten Jahre im Deutschland waren für alle drei nicht leicht. Schon deshalb nicht, weil Dima eine schwerkranke Schwester hat, die es zu pflegen galt. So blieb kaum Zeit für den kleinen Jungen. Bis fast zum Ende des Romans schreibt Kapitelman auch immer von seiner Damals-Mama und Heute-Mama beziehungsweise Damals-Papa und Heute-Papa. So sind die Leben in der Ukraine und in Deutschland wie zwei unterschiedliche Welten.

So muss er wegen eines Dokumentes für die Einbürgerung nach Kiew. Damit kommen wir zur zweiten Ebene. Man taucht tief in die ukrainische Gesellschaft ein. Wer auf die Behörden geht, muss sich dort immer „entdanken“, also Bestechungsgeld zahlen. Da der Roman auch 2021 spielt, kriegt man auch Einblick in die aktuelle Lage in dem Land. Selensky führt das Land seit zwei Jahren (Komikerpräsident wird er immer genannt), doch wirklich viel verbessert hat sich nicht. Doch er trifft auch Menschen, die gerne in dem Land leben und sich gar nicht vorstellen könnten, über längere Zeit woanders zu leben, etwa seinen Kindheitsfreund Rostik, den er wieder trifft.

Um an das begehrte Dokument für die Einbürgerung zu kommen, muss Dima mehrere Hürden nehmen, aber dann geht es doch schneller als gedacht. An der Stelle könnte der Roman enden, doch es ist gerade einmal die Hälfte. Wie es weitergeht, will ich nicht verraten. Es passiert etwas, was ihn noch eine Weile in Kiew festhält.

Eine dritte Ebene in dem Buch ist das nie wirklich ankommen im neuen Land. Immer zwischen zwei Ländern hängend, weder dem einen noch dem anderen richtig zugehörend. Obwohl Dima den Großteil seines Lebens in Deutschland gelebt hat, muss er wegen einer Formalie nach Kiew reisen. In der Hauptstadt wird er trotz seines klaren Russischs schnell als Ausländer erkannt. Das merke man an seinem „Benehmen“, wie es heißt.

Das Buch ist wirklich absolut lesenswert. Wer ein bisschen über die ukrainische Mentalität lernen will und über die Hauptstadt, dem sei das Buch wärmstens empfohlen.

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Eine Antwort zu „Nr. 12: „Eine Formalie in Kiew“ von Dmitrij Kapitelman”.

  1. […] Denn ich habe bereits „Eine Formalie in Kiew“ von Kapitelman gelesen. Ein wirklich tolles Buch. Hier meine Rezension: https://literatur-osteuropa.blog/2024/01/09/eine-formalie-in-kiew-von-dmitrij-kapitelman/ […]

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